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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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zu deutende Erscheinung halte. Da nahm von Reinhardt, Stabsrittmeister, das Wort: ›Das ist ein schlimmes Ereignis, das bedeutet viel Böses, es vernichtet die Hoffnung zum Frieden mit einem Mal und zerstört uns das, was wir so nötig bedürfen. Hier ist nicht der Mutwille der Unsrigen im Spiel, sondern es ist ein Zeichen der großen Erbitterung unserer Gegner und ein Opfer, das sie bringen, um uns zu verderben.‹
    Wir sahen diese grauenvolle Szene vom ersten Anfang an ganz deutlich, denn unser Lager war höher als die Stadt. Bald entstanden auch Flammen in den uns näher gelegenen Stadtteilen, die uns und die ganze Umgegend beleuchteten, so daß mit der Zunahme von Licht und Flammen unser zum ersten Mal froh auflebender Mut wieder sank und wir aus diesem hellen Lichte trauernd in eine um so dunklere Zukunft schauten.
    Es war Mitternacht geworden, die Flammen hatten so um sich gegriffen, daß sie wie ein Feuermeer über dem Koloß von Stadt wogten. Das Getöse in derselben war größer geworden, und größer wurde nun auch die Zahl der Nachzügler und Fliehenden aus derselben, die an unserem Lager vorüberzogen. Zuletzt wurden wir des schrecklichen Anblicks müde und legten uns nieder. Nach kurzem Schlaf bemerkten wir, daß die Flammen beträchtlich zugenommen hatten, und mit Anbruch des Tages waren auch die furchtbaren Rauchwolken, von vielerlei Farben und Gestalten sich ineinandermischend, sichtbar geworden.«
    Es war sehr schnell klar, daß dieses riesige Feuer nicht durch die Unvorsichtigkeit von Plünderern entstanden sein konnte. Denn die Brände wurden an sehr verschiedenen Stellen der Stadt fast gleichzeitig entfacht, und die Soldaten entdeckten, daß alle Löschgeräte unbrauchbar gemacht und die Häuser ganz gezielt mit brennbaren Materialien präpariert worden waren. Leutnant Karl von Kurz dokumentiert, daß alle Löschgerätschaften abgeführt oder vernichtet wurden,»2000 Verbrecher aus den Gefängnissen entlassen, ihnen Pechkränze und mit Phosphor und Schwefel geschwängerte Brennmaterialien eingehändigt, die sie in den Palästen, in den öffentlichen Gebäuden, in den Warenmagazinen aller Gegenden der Stadt niederlegen sollten, mit dem Versprechen, daß sie sich durch pünktliche Befolgung die Freiheit erwerben würden. Die zahlreichen Offiziere und Beamte der Polizei, die verkleidet zurückblieben, übernahmen die Leitung des Ganzen.«
    Diese Darstellung bestätigt auch der Bericht des Sergeanten François Bourgogne von der Kaisergarde. Nach seiner Erinnerung brach das Feuer am frühen Abend des 14. September noch vor 19 Uhr aus. Bourgogne gehörte zu einer Patrouille von 19 Gardesoldaten, die sich zu einer Brandstelle begeben sollte, aber unterwegs aus einem Haus beschossen wurde:
    »Wir dachten zuerst, daß die Schüsse von betrunkenen Leuten unserer eigenen Truppen herrührten, und kümmerten uns deshalb nicht weiter darum, bald aber knallte es uns auch aus einer Sackgasse entgegen, und ein Mann der Patrouille wurde in den Schenkel getroffen. Die Verwundung war zwar nicht schlimm, denn sie hinderte den Mann nicht daran, weiter zu marschieren, indessen wurde doch beschlossen, zum Regiment zurückzukehren. Im Begriff, dies zu tun, kamen abermals Schüsse aus der Richtung, aus welcher die ersten gefallen waren. Dies änderte unsern Entschluß. Wir wollten der Sache nun doch nähertreten und gingen gegen das Haus vor, welches wir für das verdächtige hielten. Nachdem wir die Tür desselben eingeschlagen, stellten sich uns neun große, mit Gewehren und Lanzen bewaffnete Kerle entgegen und verwehrten uns den Eingang.
    Sogleich entspann sich in dem Hofe ein Kampf. Es war kein gleicher, denn wir standen neunzehn gegen neun, aber da wir glaubten, daß sich noch mehr solch verwegener Gesellen in der Nähe befinden könnten, stachen wir die drei vordersten sofort nieder. Zwei entflohen, und die andern vier hielt ichmit fünf Mann durch unsere ihnen auf die Brust gesetzten Bajonette so fest gegen eine Mauer gedrückt, daß sie sich ihrer Waffen nicht bedienen und bei der geringsten Angriffsbewegung erstochen werden konnten. Sie schlugen sich mit ihren Fäusten auf die Brust und gebärdeten sich wie toll. Ihre totale Trunkenheit ließ uns sie zunächst schonen, als wir aber erkannten, daß wir nicht anders mit ihnen fertig werden konnten, machten wir sie kampfunfähig.
    Nun durchsuchten wir eilig das Haus. In einem Zimmer trafen wir noch zwei Leute, die, als wir uns schnell auf ihre Waffen warfen, so

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