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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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höchster Stelle interveniert und klargestellt, dass Dolly in ihrer derzeitigen Stellung unentbehrlich war und unter keinen Umständen zum Dienst in einer Munitionsfabrik herangezogen werden konnte.
    Zwei Feuerwehrmänner mit rußverschmierten Gesichtern kamen an den Tresen. Dolly setzte ein freundliches Lächeln auf und füllte zwei Suppentassen. »Viel um die Ohren, Jungs?«, fragte sie.
    »Das Wasser gefriert in den Schläuchen«, sagte der kleinere der beiden. »Das müssten Sie mal sehen. Wir löschen ein Feuer in einem Haus, und da, wo das Wasser am Nachbarhaus runterläuft, bilden sich sofort Eiszapfen.«
    »Gott, wie schrecklich«, sagte Dolly, und die Männer nickten. Dann verzogen sie sich erschöpft mit ihrer Suppe an einen der Tische, und Dolly war wieder allein in der Küche.
    Sie stützte sich mit einem Ellbogen auf den Tresen und legte ihr Kinn in die Hand. Bestimmt war Vivien ständig bei ihrem Arzt. Sie war enttäuscht gewesen, dass sie von Jimmy von dieser Liaison erfahren hatte – sie hätte es lieber von Vivien persönlich gehört –, aber sie konnte natürlich verstehen, dass so etwas geheim gehalten werden musste. Henry Jenkins war nicht der Typ, der es hinnehmen würde, dass seine Frau sich anderweitig vergnügte: Man brauchte ihn nur anzusehen, um zu wissen, dass dieser Mann nicht mit sich spaßen ließ. Wenn irgendjemand ein vertrauliches Gespräch belauschte oder etwas Verdächtiges beobachtete und es Viviens Ehemann zutrug, dann wäre die Hölle los. Kein Wunder, dass sie Jimmy eingeschärft hatte, keiner Menschenseele zu verraten, was sie ihm erzählt hatte.
    »Mrs. Jenkins? Huhu! Mrs. Jenkins!«
    Dolly sah sich um. War Vivien gekommen, ohne dass sie es bemerkt hatte?
    »Ah, Miss Smitham …« Die Stimme klang schon weniger begeistert. »Sie sind es nur.«
    Maud Hoskins stand vor dem Tresen. Wie immer wie aus dem Ei gepellt; die Bluse am Hals von einer Gemmenbrosche so eng zusammengehalten wie ein Pastorenkragen. Von Vivien war keine Spur zu sehen, stellte Dolly enttäuscht fest. »Ja, nur ich, Mrs. Hoskins.«
    »Tja«, schniefte die alte Frau. »Da kann man nichts machen.« Sie blickte sich um wie eine besorgte Glucke. »Aber Sie haben sie nicht vielleicht gesehen – Mrs. Jenkins, meine ich?«
    »Lassen Sie mich überlegen.« Dolly legte nachdenklich die Fingerspitzen an die Lippen, während sie sich unter dem Tresen in ihre Schuhe quälte. »Nein, ich glaube nicht.«
    »Wie schade. Ich habe nämlich etwas für sie, wissen Sie. Sie muss es beim letzten Mal, als sie hier war, verloren haben, und ich habe es für sie aufgehoben in der Hoffnung, ihr über den Weg zu laufen. Aber sie ist schon seit Tagen nicht mehr gekommen.«
    »Ach, tatsächlich? Das ist mir gar nicht aufgefallen.«
    »Schon seit einer Woche nicht. Ich hoffe, dass ihr nichts zugestoßen ist.«
    Dolly überlegte, ob sie Mrs. Hoskins erzählen sollte, dass sie Vivien täglich sah – von Lady Gwendolyns Fenster aus – und dass es ihr höchstwahrscheinlich besser denn je ging; sie kam jedoch zu dem Schluss, dass sie Mrs. Hoskins damit nur neugierig machen würde. »Ich bin sicher, es geht ihr gut.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht. Zumindest so gut wie uns allen in diesen schweren Zeiten.«
    »Ja.«
    »Aber ich habe ein Problem. Ich fahre für eine Weile nach Cornwall zu meiner Schwester und hatte gehofft, Mrs. Jenkins vor meiner Abreise ihr Eigentum zurückgeben zu können.« Mrs. Hoskins blickte sich unsicher um. »Tja, dann werde ich es wohl …«
    »Mir geben müssen? Aber selbstverständlich.« Dolly setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. »Ich werde dafür sorgen, dass sie es bekommt.«
    »Oh …« Mrs. Hoskins schaute sie durch ihre teure Brille an. »Ich hatte eigentlich nicht … Ich weiß nicht, ob ich es so einfach aus der Hand geben darf.«
    »Aber ich bitte Sie, Mrs. Hoskins. Es wäre mir eine Ehre, Ihnen behilflich zu sein. Ich sehe Vivien ganz bestimmt bald.«
    Die Frau machte große Augen, als Dolly Viviens Vornamen benutzte. »Nun«, sagte sie und sah Dolly mit neuer Hochachtung an, »wenn Sie sich wirklich sicher sind …«
    »Ganz sicher.«
    »Danke, Miss Smitham. Vielen, vielen Dank. Das wird mir eine Beruhigung sein. Ich glaube nämlich, es ist ein ziemlich wertvolles Stück.« Mrs. Hoskins öffnete ihre Handtasche, nahm einen kleinen, in Seidenpapier eingeschlagenen Gegenstand heraus und legte ihn vorsichtig in Dollys ausgestreckte Hand. »Ich habe es zur Sicherheit ein bisschen eingewickelt. Passen

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