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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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hatte, einen älteren Mann, nicht sehr helle, keine Frage, aber wohlhabend. Caitlin ihrerseits hatte sich zur wahrhaftigen Langweilerin entwickelt, die sich stundenlang darüber beklagte, wie enttäuschend die Ehe sei (»Du machst dir keine Vorstellung, Doll«), und wie schwer sie es habe, in Zeiten wie diesen gutes Dienstpersonal für ihr neues Haus zu bekommen. Dolly war dem Ehemann ein-oder zweimal begegnet und ziemlich schnell zu dem Schluss gelangt, dass es angenehmere Möglichkeiten geben musste, in den Genuss der schönen Dinge zu kommen, als einen Mann zu heiraten, dem nichts Besseres einfiel, als die Abende mit Kartenspielen zu verbringen und bei jeder Gelegenheit das Dienstmädchen zu begrapschen.
    Lady Gwendolyn wedelte ungeduldig mit der Hand, damit Dolly fortfuhr. »Ah, sehen Sie mal!«, sagte Dolly. »Hier haben wir eine erfreuliche Nachricht. Lord Dumphee hat sich mit der Honourable Eva Hastings verlobt.«
    »Ich wüsste nicht, was an einer Verlobung erfreulich sein sollte.«
    »Selbstverständlich nicht, Lady Gwendolyn.« Es war ein heikles Thema, das wusste Dolly.
    »Für eine anspruchslose junge Frau mag es ja das Richtige sein, sich an einen Mann zu binden, aber merken Sie sich eins, Dorothy: Männer haben Sportsgeist, und sie wetteifern gern um den höchsten Preis – aber dann? Wenn sie ihn erst einmal haben, hört der Spaß auf. Vor allem für die Frau.« Sie ließ ihre Hand kreisen. »Fahren Sie fort, lesen Sie mir den Rest vor. Was steht da noch?«
    »Am kommenden Samstag findet das große Verlobungsfest statt.«
    Die Neuigkeit entlockte der alten Dame ein interessiertes Grummeln. »Im Hause der Dumphees? Prächtige Villa. Henny Penny und ich waren da mal auf einem großen Ball. Am Ende haben sich die Leute die Schuhe ausgezogen und im Brunnen getanzt … Das Fest findet doch bei den Dumphees statt, oder?«
    »Nein.« Dolly überflog die Verlobungsanzeige. »Anscheinend nicht. Sie geben ein Fest im 400 Club, nur für geladene Gäste.«
    Während Lady Gwendolyn verächtlich über die Niveaulosigkeit solcher » Nach t klubs« herzog, ließ Dolly ihre Gedanken schweifen. Sie war erst einmal im 400 Club gewesen, mit Kitty und ein paar Soldaten, mit denen sie befreundet war. Am Leicester Square, tief unten in einem Keller, gleich neben dem ehemaligen Alhambra Theatre; schummrige Beleuchtung und alles in Weinrot gehalten: die Seidentapete an den Wänden, die mit Plüsch bezogenen Sitznischen, die Kerzen auf den Tischen, die Samtvorhänge, die wie Wein auf den roten Teppichboden flossen.
    Das Lokal war erfüllt gewesen von Musik und Gelächter, und auf der kleinen Tanzfläche hatten sich Paare in inniger Umarmung gewiegt. Und als ein Soldat mit zu viel Whisky im Blut und einer beunruhigenden Beule in der Hose ihr mit feuchten Lippen ins Ohr gelallt hatte, was er alles mit ihr anstellen würde, wenn sie allein wären, hatte Dolly über seine Schulter hinweg gesehen, wie eine Gruppe junger Leute – besser gekleidet, schöner und einfach anders als alle anderen Lokalbesucher – hinter ein dickes rotes Seil geführt und dort von einem kleinen Mann mit einem langen, schwarzen Schnurrbart in Empfang genommen wurden. (»Luigi Rossi«, hatte Kitty mit einem vielsagenden Nicken gesagt, als sie zu Hause in der Campden Grove am Küchentisch noch einen Absacker getrunken hatten. »Wusstest du das nicht? Dem gehört der Laden.«)
    »Es reicht«, sagte Lady Gwendolyn und drückte ihre Zigarette in dem offenen Tiegel mit Maissalbe aus, der auf ihrem Nachttisch stand. »Ich bin müde und fühle mich nicht gut – ich brauche etwas Süßes. Ach, aber ich werde wohl nicht mehr lange unter den Lebenden weilen. Letzte Nacht habe ich kaum ein Auge zugetan bei dem Lärm. Dieser schreckliche Lärm raubt einem wirklich den Schlaf.«
    »Arme Lady Gwendolyn«, sagte Dolly, legte The Lady weg und holte die Tüte mit den Süßigkeiten der alten Dame. »Das haben wir Mr. Hitler zu verdanken. Die Bomber …«
    »Ich rede nicht von den Bombern, Dummchen. Ich meine die anderen – mit ihrem infernalischen …« – sie schüttelte sich thea tralisch und senkte die Stimme – »… Gelächter . Diese Weibe r !«
    »Ach so«, sagte Dolly.
    »Sie sind unerträglich«, verkündete Lady Gwendolyn, die bisher noch keine von den Weibern zu Gesicht bekommen hatte. » Tippsen . Sie tippen für die Ministerien. Sie müssen schnell sein. Schön. Aber was in aller Welt haben die im Kriegsministerium sich bloß dabei gedacht? Natürlich sehe

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