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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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herauskommen.
    »Warum nicht, Ma?«
    Dorothy rang sich ein Lächeln ab, aber ihre Stimme und ihre Augen straften es Lügen. »Die Menschen ändern sich, wenn sie älter werden … sie werden klüger … treffen bessere Entscheidungen … Ich bin sehr alt, Laurel. Wenn man so lange lebt wie ich, bereut man zwangsläufig das eine oder andere … Dinge, die man getan hat … von denen man wünscht, man hätte es anders gemacht.«
    Die Vergangenheit, Reue, Menschen, die sich änderten – Laurels Herz klopfte. Endlich war sie am Ziel. Sie bemühte sich, unbeschwert zu klingen wie eine liebende Tochter, die ihre alte Mutter nach ihrem Leben fragt. »Was für Dinge, Ma? Was hättest du gern anders gemacht?«
    Aber Dorothy hörte ihr gar nicht zu. Ihr Blick ging ins Leere; ihre Finger kneteten den Rand der Decke, die über ihren Beinen lag. »Mein Vater hat mich immer gewarnt, ich würde mich in Schwierigkeiten bringen, wenn ich nicht aufpasste …«
    »Das sagen alle Eltern zu ihren Kindern«, versuchte Laurel sie zu beruhigen. »Du hast bestimmt nichts Schlimmeres angestellt als wir.«
    »Er hat mich gewarnt, aber ich habe nicht auf ihn gehört. Ich dachte damals, ich wüsste es besser. Ich habe die gerechte Strafe bekommen für meine falschen Entscheidungen, Laurel … Ich habe alles verloren … alles, was ich geliebt habe.«
    »Aber wie denn? Was ist passiert?«
    Doch das Reden hatte Dorothy ermüdet, und sie hatte den Kopf nach hinten gelegt. Ihre Lippen bewegten sich noch, aber es kam kein Ton aus ihrem Mund. Schließlich gab sie es auf und drehte den Kopf zum beschlagenen Fenster hin.
    Laurel betrachtete das Profil ihrer Mutter. Sie wünschte, sie wäre eine andere Tochter gewesen. Wünschte, ihr würde noch mehr Zeit bleiben, wünschte, sie könnte die Jahre zurückdrehen und noch einmal von vorn anfangen. Dann würde sie nicht alles bis zur letzten Minute aufschieben, dann würde sie am Ende nicht mit so vielen unbeantworteten Fragen bei ihrer Mutter im Pflegeheim sitzen.
    »Übrigens«, sagte sie heiter, um einen anderen Kurs einzuschlagen. »Rose hat mir etwas gezeigt.« Sie nahm das Familienalbum vom Regal und zog das Foto von ihrer Mutter und Vivien heraus. Auch wenn sie sich noch so sehr um Gelassenheit bemühte, zitterten ihre Finger. »Ich glaube, sie hat es in einer alten Truhe gefunden, irgendwo in Greenacres.«
    Dorothy nahm das Foto entgegen und betrachtete es.
    Auf dem Korridor wurden Türen geöffnet und geschlossen, etwas weiter entfernt ertönte ein Summer, draußen vor dem Gebäude hielten Autos an und fuhren wieder los.
    »Ihr wart Freundinnen«, soufflierte Laurel.
    Ihre Mutter nickte zögernd.
    »Im Krieg.«
    Noch ein Nicken.
    »Sie hieß Vivien.«
    Diesmal blickte Dorothy auf. Verwunderung zeigte sich in ihrem faltigen Gesicht – und noch etwas anderes. Laurel war drauf und dran, ihr von dem Buch und der Widmung darin zu erzählen, als ihre Mutter sagte: »Sie ist tot.« So leise, dass Laurel es kaum hören konnte. »Vivien ist im Krieg ums Leben gekommen.«
    Laurel konnte sich erinnern, davon im Nachruf auf Henry Jenkins gelesen zu haben. »Bei einem Bombenangriff«, sagte sie.
    Ihre Mutter ließ nicht erkennen, ob sie das gehört hatte. Sie betrachtete wieder das Foto. Ihre Augen waren glasig geworden, und ihre Wangen waren plötzlich feucht. »Ich erkenne mich kaum wieder«, sagte sie mit einer dünnen, alten Stimme.
    »Es ist ja auch lange her.«
    »Das war noch in einem anderen Leben.« Dorothy zog von irgendwo ein zerknülltes Taschentuch hervor und trocknete sich damit die Wangen.
    Das Taschentuch vor dem Mund, sprach ihre Mutter leise weiter, aber Laurel konnte nur wenige Worte verstehen: etwas über Bomben und Lärm und die Angst, noch einmal von vorn anzufangen. Sie beugte sich vor. Vor Aufregung, womöglich endlich Antworten zu bekommen, bekam sie eine Gänsehaut. »Was hast du gesagt, Ma?«
    Dorothy schaute Laurel an, und ihr Blick war so ängstlich, als hätte sie gerade einen Geist gesehen. Sie packte Laurels Ärmel, und dann sagte sie mit bebender Stimme: »Ich habe etwas getan, Laurel. Im Krieg … Ich konnte nicht klar denken, alles war schiefgegangen, es war schrecklich … Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen, und es kam mir vor wie der perfekte Plan, eine Möglichkeit, alles wieder ins rechte Lot zu rücken, aber er hat es herausgefunden – er war furchtbar wütend …«
    Laurel blieb fast das Herz stehen. Er . »War das der Grund, warum der Mann gekommen ist,

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