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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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nicht das Wasser reichen. Aber ein guter Buchhalter, deswegen vertraue ich ihm meine Geschäfte an …«). Sie ließ ihn eintreten, damit er nicht in der Eiseskälte warten musste, und lief nach oben, um sich bei Lady Gwendolyn zu erkundigen, ob sie den Mann empfangen wollte. Sie empfing nur höchst ungern Besuch, aber wenn es um finanzielle Dinge ging, machte s ie selbstverständlich eine Ausnahme. Sie wedelte daher mit ihrer dicken Hand, um Dolly zu signalisieren, sie solle den Mann hereinführen.
    »Guten Tag, Lady Gwendolyn«, keuchte Mr. Pemberly (er hatte drei Treppen erklimmen müssen). »Verzeihen Sie, dass ich so unangemeldet hier hereinschneie. Die Luftangriffe, Sie verste hen. Im Dezember hat es mich hart getroffen, ich habe alle meine Unterlagen und Akten verloren. Eine scheußliche Angelegen heit, wie Sie sich vorstellen können, aber ich bin dabei, alles wie der in Ordnung zu bringen. Seitdem trage ich die wichtigsten Unterlagen stets bei mir.« Er tätschelte seine dicke Aktentasche.
    Dolly wurde fortgeschickt und verbrachte die nächste halbe Stunde in ihrem Zimmer, wo sie mit Kleber und Schere ihr Ideen buch auf den neuesten Stand brachte. Dabei warf sie immer wieder einen nervösen Blick auf ihre Armbanduhr, während die Minuten bis zu ihrer nächsten Schicht beim Freiwilligendienst vergingen. Schließlich wurde oben das silberne Glöckchen geläutet, das sie ins Zimmer ihrer Arbeitgeberin rief.
    »Begleiten Sie Mr. Pemberly zur Tür«, sagte Lady Gwendolyn und hielt dann kurz inne, um einen Schluckauf zu unterdrücken. »Dann kommen Sie wieder herauf und decken mich zu.« Dolly nickte lächelnd. Sie wartete gerade darauf, dass der Anwalt seine schwere Tasche hochhievte, als die alte Dame mit ihrer üblichen Sorglosigkeit sagte: »Das ist übrigens Dorothy, Mr. Pemberly, Dorothy Smitham. Die junge Frau, von der ich sprach.«
    Augenblicklich änderte sich die Haltung des Anwalts. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen«, hatte er ehrfurchtsvoll gesagt, dann war er zur Seite getreten und hatte Dolly die Tür aufgehalten. Auf dem Weg die Treppe hinunter hatten sie sich höflich miteinander unterhalten, und als sie sich an der Haustür verabschiedeten, hatte er voller Bewunderung zu ihr gesagt: »Sie haben Erstaunliches geleistet, junge Dame. Ich kann mich nicht erinnern, Lady Gwendolyn je in besserer Verfassung gesehen zu haben, jedenfalls nicht seit der schrecklichen Geschichte mit ihrer Schwester. Sie ist wie verwandelt. Wirklich bemerkenswert. Kein Wunder, dass sie Sie so ins Herz geschlossen hat.« Und dabei hatte er Dolly verschwörerisch zugezwinkert.
    Erstaunliches geleistet … nicht seit der schrecklichen Geschichte mit ihrer Schwester … ins Herz geschlossen … Dolly hockte auf dem kleinen Schemel in der Kantine und lächelte bei der Erinnerung in sich hinein. Sie konnte das alles kaum glauben. Dr. Rufus hatte angedeutet, dass Lady Gwendolyn beabsichtigte, ihr Testament zu Dollys Gunsten zu ändern, und die alte Dame machte hin und wieder scherzhafte Bemerkungen, die in die Richtung deuteten, aber dass sie tatsächlich mit ihrem Anwalt darüber redete und ihm erzählte, wie sehr ihre junge Gefährtin ihr ans Herz gewachsen war, fast wie eine Tochter …
    »Hallo!« Eine vertraute Stimme riss Dolly aus ihren Gedanken. »Was muss man denn tun, um hier bedient zu werden?«
    Als Dolly erschrocken aufblickte, sah sie Jimmy, der sich über den Tresen beugte. Er lachte, und die Locke fiel ihm in die Stirn. »Habe ich Sie etwa beim Schwänzen erwischt, Miss Smitham?«
    Dolly spürte, wie sie rot wurde. »Was machst du denn hier?«, fragte sie und sprang auf.
    »Ich hatte in der Nähe zu tun.« Er zeigte auf die Kameratasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte. »Da dachte ich mir, ich schaue kurz vorbei und hole meine Süße ab.«
    Sie legte einen Finger an die Lippen und drückte hastig ihre Zigarette an der Wand aus. »Wir wollten uns doch im Lyons Corner House treffen«, flüsterte sie, während sie ihren Rock glättete. »Meine Schicht ist noch nicht zu Ende, Jimmy.«
    »Und ich sehe ja, wie beschäftigt du bist.« Er lächelte, aber Dolly erwiderte sein Lächeln nicht.
    Sie warf einen Blick in den überfüllten Raum. Mrs. Waddingham plauderte noch immer mit den Damen des Strickkränzchens, und Vivien war nirgendwo zu sehen – trotzdem war es riskant. »Geh schon mal vor«, sagte sie leise zu Jimmy. »Ich komme so bald wie möglich nach.«
    »Es macht mir nichts aus zu

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