Die Verlorenen von New York

wissen auch nicht, wer da ist und wer nicht. Vielleicht hatte sie einfach noch keine Zeit, sich zu melden.«
    »Wir haben jedenfalls nichts von ihr gehört«, sagte Jimmy. »Ist denn dein Vater inzwischen zurück?«
    »Nein«, sagte Alex. »Aber er hat angerufen, als wir in der Bodega waren. Bri hat mit ihm gesprochen.«
    »Und was hat er gesagt?«, fragte Jimmy.
    Nichts, dachte Alex, und vielleicht war er es auch gar nicht. Aber Jimmy hatte selbst schon genug Sorgen, und Alex war jetzt der Mann im Haus. »Die Verbindung war ziemlich schlecht«, sagte er. »Bri hat ihn kaum verstanden.«
    »Aber er hat angerufen, also geht’s ihm so weit gut«, sagte Jimmy. »Was ist mit Carlos?«
    Wenigstens darauf konnte er ehrlich antworten. »Mit dem habe ich am Donnerstag gesprochen«, sagte er. »Seine Einheit sollte verlegt werden, und es ging ihm gut.«
    »Prima, das freut mich«, sagte Jimmy. »Luis und Carlos geht’s gut«, rief er Lorraine zu. »Aber keine Nachricht von Isabella.«
    »Wir werden wahrscheinlich als Erste von ihr hören«, sagte Alex. »Ich wollte nur sichergehen, dass sie’s heute Morgen nicht doch bei euch versucht hat.«
    »Nein, hat sie nicht«, sagte Jimmy. »Aber sag mal, Alex, kommt ihr zurecht? Kannst du für deine Schwestern sorgen? Oder sollen wir sie zu uns holen, bis deine Eltern zurück sind?«
    Alex überlegte kurz. Julie und Lorraine kamen nicht gut miteinander aus, und Bri würde sicher auch lieber zu Hause bleiben.
    »Nein, das geht schon«, sagte er. »Aber trotzdem danke.«
    »Wie du meinst«, sagte Jimmy. »Passt gut auf euch auf. Wir beten für euch, euch alle. Und ruf an, wenn du von deiner Mutter hörst.«
    »Mach ich«, sagte Alex und legte auf. Er setzte sich wieder aufs Sofa und überlegte, ob er eine weitere Liste erstellen sollte, um schön der Reihe nach aufzuschreiben, was dafür oder was dagegen sprach, dass seine Mutter noch lebte.
    Er sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwei und seine Schwestern konnten jederzeit zurückkommen. Wenn er noch mehr Anrufe erledigen wollte, dann besser gleich.
    212–555–2489 .
    »Hier ist die städtische Hotline für die Suche nach vermissten Einwohnern der Stadt New York. Ist die vermisste Person ein Mann, drücken Sie bitte die 1 . Ist es eine Frau, die 2 . Für Kinder unter zwölf Jahren drücken Sie bitte die 3 .«
    Alex wollte schon die 1 drücken, als ihm einfiel, dass die New Yorker Stadtverwaltung wohl kaum wissen würde, was mit seinem Vater in Milagro del Mar passiert war. Also drückte er die 2 .
    »Die folgenden Informationen gelten nur für die Suche nach weiblichen Einwohnern der Stadt New York, die seit Mittwochabend, dem 18 . Mai, vermisst werden«, sagte eine monotone Frauenstimme. »Ist die vermisste Person wohnhaft in New York City, drücken Sie bitte die 1 .«
    Alex drückte die 1 .
    »Ist die vermisste Person wohnhaft in Brooklyn oder Staten Island, drücken Sie bitte die 1 . Ist die vermisste Person wohnhaft in Manhattan, Bronx oder Queens, drücken Sie bitte die 2 .«
    Alex drückte die 2 .
    »Sämtliche nicht identifizierte Frauenleichen aus diesen Stadtteilen werden im Yankee-Stadion aufgebahrt«, fuhr die Stimme fort. »Möchten Sie dort nach der vermissten Person suchen, drücken Sie bitte die 1 .«
    Alex drückte die 1 .
    »Der nächstmögliche Termin ist am Donnerstag, dem 26 . Mai, um 11:30 Uhr«, sagte die Stimme, deren Tonfall bei der Ansage von Datum und Uhrzeit plötzlich wechselte. »Möchten Sie diesen Termin wahrnehmen, drücken Sie bitte die 1 .«
    Ohne nachzudenken, drückte Alex die 1 .
    »Der Stadionbus fährt am Donnerstag, dem 26 . Mai, um 11:30 Uhr vom Port Authority Bus Terminal ab. Bitte finden Sie sich eine Stunde vor Abfahrt dort ein. Es ist jeweils nur eine Person pro Familie zugelassen. Es werden nur Personen ins Stadion eingelassen, die mit diesem Einsatzbus kommen. Möchten Sie einen Platz für den Bus am 26 . Mai um 11:30 Uhr reservieren, nennen und buchstabieren Sie bitte Ihren Namen.«
    Alex tat es.
    Wie ein Papagei wiederholte die Stimme seine Angaben und forderte ihn auf, zur Bestätigung die 1 zu drücken. Alex drückte die 1 .
    »Vielen Dank«, sagte die Stimme. »Sie haben einen Platz im Stadionbus reserviert, der am 26 . Mai um 11:30 Uhr vom Port Authority Bus Terminal abfährt. Für die Suche nach vermissten Personen aus den Stadtbezirken Brooklyn oder Staten Island drücken Sie bitte die 1 . Andernfalls legen Sie bitte auf.«
    Alex legte auf. Was hatte er getan? Warum hatte er sich