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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Transportboxen. Sie trugen Koffer, Rucksäcke und Reisetaschen, die alle so vollgestopft waren, dass sie fast aus den Nähten platzten. Einige fuhren vielleicht zu Verwandten oder Freunden, die weiter im Inland wohnten. Andere nahmen einfach den nächstbesten Bus, ganz egal, wohin.
    Überall standen Polizisten herum, und Alex ging auf einen von ihnen zu, um zu fragen, wo der Bus zum Yankee-Stadion abfuhr.
    »Gleich da vorn um die Ecke«, sagte der Polizist. »Hast du einen Platz reserviert?«
    Alex nickte.
    »Stehst du das auch durch? Das ist die Hölle da oben.«
    »Ich weiß nicht«, gab Alex zu. »Ich suche nach meiner Mutter. Wir haben seit Mittwoch nichts mehr von ihr gehört.«
    »Viel Glück, mein Junge«, sagte der Polizist. »He, du da! Pass bloß auf!«
    Alex bog um die Ecke. Mehrere Polizisten waren dabei, Handzettel an die Leute zu verteilen und ihnen die jeweilige Warteschlange zu zeigen. Alex sprach einen von ihnen an und erklärte, er habe eine Reservierung für den Bus um 11:30 Uhr.
    »Dann stell dich da hinten an«, sagte der Polizist und drückte ihm einen Zettel in die Hand.
    Obwohl Alex früh dran war, standen schon an die dreißig Leute in der Schlange. Sie traten von einem Bein aufs andere, lasen das Informationsblatt durch oder wühlten in ihren Taschen. Einige hatten etwas zu essen dabei. Viele von ihnen wirkten verängstigt, andere wütend oder einfach nur unglücklich.
    Alex las den Zettel, den er in der Hand hielt.
    WICHTIGE VERHALTENSREGELN –
BITTE GENAUESTENS BEFOLGEN:
    1. Steigen Sie in keinen anderen Bus als den von Ihnen reservierten und merken Sie sich die Busnummer.
    2 . Beim Einstieg erhalten Sie ein nummeriertes Ticket. Dieses müssen Sie beim Einlass ins Yankee-Stadion vorweisen.
    3. Es ist zu keiner Zeit erlaubt, sich von der Gruppe zu entfernen.
    4 . Im Stadion gehen Sie bitte in einer Reihe hintereinander. Halten Sie sich an den vorgeschriebenen Weg durch das Stadion.
    5 . Sehen Sie sich jeden Leichnam ganz genau an. Achten Sie insbesondere auf Schmuckstücke, da die Gesuchten auf diese Weise oft am sichersten zu identifizieren sind.
    6. Sollten Sie die gesuchte Person gefunden haben, gehen Sie weiter bis zum nächsten Polizeiposten. Dort informieren Sie einen Beamten über die Position der identifizierten Leiche. Kehren Sie nur in Begleitung eines Beamten dorthin zurück. Jeder Versuch, allein zurückzugehen, führt zur sofortigen Ausweisung aus dem Stadion.
    7 . Sollte jemand in Ihrer Nähe medizinische Hilfe brauchen, informieren Sie den nächsten Polizeibeamten . Bleiben Sie nicht stehen, um der bedürftigen Person zu helfen.
    8 . Essen und Trinken sind im Stadion verboten. Sämtliche Taschen sind im Bus zurückzulassen. Zuwiderhandlungen werden mit sofortigem Verweis geahndet.
    9 . Haben Sie die gesuchte Person gefunden, bleiben Sie so lange im Stadion, bis alle erforderlichen Unterlagen ausgefüllt sind. Andernfalls fahren Sie mit demselben Bus zurück, mit dem Sie gekommen sind. Der Wechsel in einen anderen Bus ist nicht gestattet.
    DIESE REGELN DIENEN IHRER
EIGENEN SICHERHEIT.
SIE SIND UNBEDINGT EINZUHALTEN.
    Alex fand die Regeln streng, aber sinnvoll, und er war froh, dass sie ihm so unmissverständlich erläutert wurden. Er mochte Regeln. Carlos versuchte immer, sich irgendwie durchzumogeln, zumindest war das so gewesen, bevor er sich bei der Armee verpflichtet hatte, aber Alex fand, dass Regeln dem Leben eine Struktur verliehen, und das war ihm lieber so. Er selbst schnitt immer am besten ab, wenn er genau wusste, was von ihm erwartet wurde.
    Allerdings hätte er sich gewünscht, dass auf dem Zettel nicht ständig von Leichen die Rede gewesen wäre. Der Gedanke, seine Mutter könnte eine dieser namenlosen Toten sein, war ihm einfach unerträglich.
    Und dann sah er sie vor sich, wie sie am Küchentisch saß und zusammen mit den Kindern ihre Hausaufgaben machte. Wie stolz waren sie alle gewesen, als sie ihren Abschluss geschafft hatte. Er sah sie am Herd stehen und das Abendessen kochen. Er erinnerte sich, wie er einmal krank gewesen war und Mamá ihm einen kalten Waschlappen auf die Stirn gelegt und seine Hand gehalten hatte, bis er eingeschlafen war. Er sah sie in der Kirche, wie sie die Kinder zur Ruhe mahnte, während Pater Franco seine Predigt hielt.
    Eine Woche lang hatte er keinen Gedanken an sie zugelassen, aber jetzt wurde er plötzlich von unzähligen Erinnerungen überwältigt. Was, wenn er seine Mutter im Yankee-Stadion fand? Und was, wenn er sie nicht

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