Die verlorenen Welten von Cronus
sagte Ainsa nach einiger Zeit. »Wir sehen, was sie tun können.«
Boxa erfuhr nicht gleich, wer ›sie‹ waren. Ainsa führte ihn zurück zu seinem Platz und schnallte ihn mit einem breiten Stoffgurt fest. Dann wurde die Fahrt des Boots von einer Rampe gestoppt, die ihr Fahrzeug nach oben und aus dem Wasser schleuderte. Ainsa schnallte Boxa ab und führte ihn zur Seite des Boots. Anschließend liefen sie lange, vollkommen dunkle Gänge entlang. Nach einiger Zeit wurde er in einen Raum gebracht, in dem die leuchtenden Augenpaare drei weiterer dieser Geschöpfe warteten. Ainsa führte ihn zu einer Liege und sagte ihm, er solle keine Angst haben und sich hinlegen. Dann projizierte eine Art optisches Instrument einen winzigen blauen Lichtpunkt in seine Augen, der Lichtspiele zurückließ, die so real waren, daß sie die leuchtenden Augen um ihn herum überstrahlten.
Mehrmals hörte er das Klirren von Metall auf Metall, und plötzlich übermannte ihn die Angst, daß diese Wesen seine Augen operieren wollten. Das blaue Licht flammte erneut auf, und etwas, das sich wie ein Handwagen anhörte, wurde herbeigeschoben. Panisch versuchte er sich aufzurichten, aber Ainsas Hände drückten seine Schultern fest gegen die Liege. Als man die Vorrichtung auf sein Gesicht legte, schrie Boxa auf. Dann zwang er sich, Ainsas Händen nachzugeben und nüchtern darüber nachzudenken, ob man ihn verletzte oder nicht. Er hörte ein Klicken, und sein Augenlicht kehrte zurück. Plötzlich konnte er schwach, aber klar die Decke über ihm und die fremdartigen und fragenden Gesichter erkennen, die ihn anstarrten.
Schließlich lachte Boxa auf, und die anderen schlossen sich ihm erleichtert an. Er nahm die klobige Brille ab, an deren Rahmen winzige Lichter angebracht waren, untersuchte sie gründlich und setzte sie wieder auf. Er blickte auf seine Hände. In der matten Beleuchtung konnte er zu seiner Freude seine langen und schmutzigen Fingernägel erkennen. Er zog einen alten, arg mitgenommenen Brief aus der Tasche und hielt ihn vor sich. Er konnte ihn mühelos lesen. Plötzlich schöpfte er wieder Hoffnung. Er konnte in dieser merkwürdigen Gesellschaft leben, hatte die Chance zu lehren und zu lernen, auch wenn er in ihren Augen immer noch ein Halbblinder war, der nie alle Geheimnisse ihres Daseins erblicken würde.
Ainsa führte ihn aus dem Raum. Diesmal faßte er Boxa nicht am Arm, sondern lief einfach neben ihm her. Boxa ließ seine Blicke über die Tunnelwände wandern und entdeckte, daß in regelmäßigen Abständen Türen auftauchten. Schließlich öffnete Ainsa eine solche Tür und bat Boxa einzutreten.
»Mein Zuhause. Für Zeitlang, Sie bleiben, Doktor Boxa.«
»Nenn mich Niklas«, sagte Boxa. »Und ich danke dir für deine Hilfe und Gastfreundschaft.«
»Ich dir danken, Niklas. Du bist viel Hilfe bei Geschichte. Bin bald größter Historiker auf Schale.«
Boxa entging nicht der schelmische Unterton in Ainsas Stimme. Ainsa wußte, wer er war: ein ehemaliger Dozent des Instituts für Solaristik der Mars-Schale. Er wußte auch, wie sehr er von dem Kontakt mit ihm profitieren würde, aber trotzdem nahm er die Angelegenheit mit Humor. Boxa hatte nur eine Sorge. Diese Menschen waren so anders und lebten unter derart verschiedenen Bedingungen, daß er sich vor einem Kulturschock in acht nehmen mußte.
Er folgte Ainsa durch die Tür und sah zum erstenmal die Augen seiner Familie. Die seltsame Beschaffenheit des Bodens veranlaßte ihn, ihn genauer zu untersuchen, und mit einem Schlag wurde ihm bewußt, daß der Kulturschock für beide Seiten galt. Ainsas Familie lebte in einem Nest! Sie waren Beuteltiere…
Kapitel 10
Die Theorie besagte, daß niemals, seit es Menschen gab, eine Welt im Asteroiden-Orbit existiert hatte, sondern daß man die Schale um eine Vielzahl kleiner Objekte herum erbaut hatte. Die alten Aufzeichnungen waren in diesem Punkt nicht eindeutig, aber der Aster-Raum wimmelte von größeren und kleineren Fragmenten, und das ganz besonders in der Nähe der Innenseite der Asteroiden-Schale. Ancor überprüfte ihre Umlaufbahnen genau, denn viele von ihnen waren so groß, daß das Meteoritenabwehrsystem der Shellback sie nicht zerstören konnte.
Am dreißigsten Tag der Expedition lag die Mars-Schale 118 Millionen Kilometer hinter ihnen, und nur noch 19 Millionen Kilometer trennten sie von der leblosen Innenseite der Asteroiden-Schale. Sie hatten bereits Kurs auf eine Käfigwelt gesetzt, durch deren Zwischenraum sie
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