Die verlorenen Welten von Cronus
wieder erwachte, beugte sich Sine Anura über ihn.
»Du mußt eine ganz schöne Nacht verbracht haben, Maq«, sagte sie kritisch. »Selbst bei mir hast du hinterher nie so abgekämpft ausgesehen.«
Ancor sah auf seine Uhr. Der Zeitpunkt, an dem sie sich hatten treffen wollen, war lange verstrichen. Er schüttelte reumütig den Kopf. »Dieses Miststück hat irgend etwas mit meinem Nervensystem angestellt, als ich ihr sagte, daß wir gehen. Ich hoffe nur, daß wir die beiden nicht unterschätzt haben. Wie ist es mit Landoren gelaufen?«
»Ich glaube, er hat mehr bekommen, als er erwartet hat. Er schläft immer noch fest mit seligem Gesichtsausdruck.«
»Weck ihn auf. Ich will, daß er das folgende von Anfang an mitbekommt. Sind Tez und Carli bereit?«
»Sie warten draußen auf uns.«
»Gut! Ich weiß nicht, wo Anan steckt, wir müssen also das Risiko in Kauf nehmen, daß sie später alles versaut.«
Innerhalb von zehn Minuten hatten sie sich alle im Eingang der Höhle versammelt. Landoren wirkte immer noch etwas mitgenommen von seinen nächtlichen Abenteuern und starrte fassungslos auf die Szenerie, die sich vor ihm auftat. Aus der Richtung der Shellback hatte sich dicker Nebel auf das Tal herabgesenkt und bedeckte es mit einem hüfthohen weißen Teppich. Und nicht nur der Talboden hatte sich verändert, die Bergspitzen hatten sich ebenfalls verwandelt. Die exklusiven Reviere der Riesenraubvögel hatten ihre schroffen Felsspitzen verloren. Zu beiden Seiten erhoben sich die Wolkenkratzer einer Bergmetropole, deren Bild trotz der Entfernung so detailliert war, daß man die Gondeln der Seilbahnen auf ihren Fahrten verfolgen konnte.
Ancor war die Szenerie vertraut: Es war eines von Cherrys Gelände-Hologrammen der Mars-Schale, dessen Maßstab der Illusionist den örtlichen Gegebenheiten perfekt angepaßt hatte. Landoren dagegen verschlug der Anblick die Sprache. Lange Zeit stand er da und starrte die Bergmetropole mit offenem Mund an, dann drehte er sich wütend zu Ancor um.
»Das ist ein Trick, Kapitän!«
»Natürlich ist es das. Aber das gilt auch für Ihren Wirbelwind oder Anans Manipulation meines Nervensystems. Ihr Trick ist einer des Geistes, meiner ein Trick der Physik. Auf unsere jeweilige Art und Weise können wir beide Wunder wirken. Ich sagte, daß wir weiterfliegen müssen, und das werden wir tun. Versuchen Sie nicht, uns aufzuhalten, denn ich will nicht gezwungen sein, auf Sie zu schießen. Ihr Volk ist bereits jetzt zu klein.«
»Wir müssen wachsen, wir können es. Sie müssen bleiben!«
»Unsere Aufgabe läßt das nicht zu. Wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt, werden wir ein Schiff mit Siedlern schicken, denn es gibt Milliarden Menschen, die liebend gern im Himmel leben würden.«
»Was für Sicherheiten bieten Sie mir für dieses Versprechen, Kapitän?«
»Keine, fürchte ich. Wir wissen noch nicht genau, wohin uns unsere Reise führen wird und ob wir jemals wieder zurückkehren können.«
»Dann bleiben Sie hier!« stellte Landoren fest. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende unternehmen, um Sie hierzubehalten.«
Ancor bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn hoch über ihre Köpfe. Am Scheitelpunkt seiner Flugbahn explodierte der Stein plötzlich in Millionen winzige Stücke, als das Meteoritenabwehrsystem der Shellback ihn erfaßte und zerstörte. Der Laserimpuls war für das bloße Auge unsichtbar gewesen, aber der Gesteinsstaub, der auf sie herabregnete, war immer noch kochend heiß.
»Jeder hat so seine Tricks«, sagte Ancor und wandte sich ab.
Die großen Raubvögel hatten sich in der Zwischenzeit auf die abgewandte Seite der Berge zurückgezogen, die außerhalb der Reichweite von Cherrys Holo-Projektoren lag. Auf Landorens Befehl kehrten sie zurück, beäugten mißtrauisch die veränderte Landschaft und schossen auf die Gruppe zu. Diesmal waren es nicht zwei, sondern Hunderte von Kreaturen. Ancor registrierte, wie sich eine dunkle Wolke in den Himmel erhob, und fragte sich, was Cherry mit ihnen anstellen würde. Der Illusionist gab seinem Drang zur Theatralik nach. Er ließ die Vögel bis in die Mitte des Tals vordringen, bevor er erneut das Meteoritenabwehrsystem einschaltete. Ein Vogel nach dem anderen verging in einer Stichflamme und verdampfte, und nur einige wenige verkohlte Knochensplitter fanden ihren Weg auf den Erdboden.
Landoren verfolgte fassungslos das Ende seiner geflügelten Helfer. Dann rannte er auf das Plateau zu, unterhalb dessen der Weg zur
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