Die verlorenen Welten von Cronus
andere Dinge von Interesse zu finden. Dieser Ort war verlassen, und das – wie es schien – seit langer Zeit. Allerdings standen einige der gläsernen Eingangstüren offen. Ancor nahm sich zwei leistungsstarke Handscheinwerfer und begab sich auf einen Erkundungsgang. Auf dem Weg in den Terminal fand er einen Metallstab und ein Stück Sicherheitsnetz, das jemand aus einem Speichen-Shuttle geschnitten hatte. Sofort keimte in ihm die Hoffnung auf, daß Niklas Boxa die Reise überstanden haben könnte und irgendwo auf dieser Schale lebte.
Das Foyer war voller Schmutz, als ob mehrere Menschen es betreten und wieder verlassen hätten. Keiner der Abdrücke gab ihm jedoch verwertbare Hinweise. Dann fand er einen Behälter Konzentratnahrung, dessen Inhalt über den Boden verstreut war, einen Container, den man offenbar zum Wassertransport zurechtgeschnitten hatte, eine Schachtel Streichhölzer, die eindeutig von der Mars-Schale stammte, und ein weiteres Stück Sicherheitsnetz. Das Netz war in Schmiere getränkt worden, um es als Fackel zu benutzen, aber offensichtlich nie angezündet worden.
»Sine, Cherry, kommt und helft mir dabei, diesen Ort hier zu durchsuchen. Niklas Boxa war hier. Und Cherry, bring ein paar anständige Scheinwerfer mit.«
Bald darauf erhellte ein Scheinwerfer, den sie unter dem Steg angebracht hatten und der von der Shellback mit Strom versorgt wurde, den Terminal. Sie untersuchten das Gebäude gründlich und stießen bald auf weitere Belege für Boxas Anwesenheit. Ein großes Bündel abgeschnittenes Sicherheitsnetz, das das Schließen der Luke verhindern sollte, kennzeichnete den Shuttle, mit dem Boxa eingetroffen war. Auf der Empfangsschleife fanden sich noch weitere Shuttles, und es stellte sich heraus, daß Boxa genug Lebensmittel aus ihnen geholt hatte, um sich für Jahrzehnte ernähren zu können. Von dem Dozenten fanden sie allerdings keine Spur.
Ancor fragte sich, warum Boxa den einzigen Ort, der ihm Nahrung und Schutz bot, verlassen hatte. Niklas Boxa neigte nicht zu Selbstmordgedanken, und Ancor konnte einfach nicht glauben, daß der Dozent geradewegs in die ewige Dunkelheit losmarschiert war. Wenn Boxa krank geworden war, hätte er sich erst recht in den Schutz des Terminals verkrochen, um nicht in der naßkalten Steinwüste zu sterben.
Ancor überließ es seinem Unterbewußtsein, weiter über diese Frage zu grübeln, und widmete sich der nächsten Aufgabe – durch die Exis-Speiche Funkkontakt mit Professor Soo auf der Mars-Schale aufzunehmen. Angesichts des Zwischenfalls, in dessen Verlauf Niklas Boxa von der Mars-Schale entführt worden war, drang er mit äußerster Vorsicht unter die gewaltigen Schienen vor, auf denen die Shuttles zum Start transportiert wurden, und gelangte schließlich zu dem riesigen Loch unterhalb der Exis-Röhre. In seinem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit, als er daran dachte, daß die Röhre über ihm sich mehr als 860 Millionen Kilometer durch den Raum erstreckte. Wie beim letztenmal, als er am anderen Ende der Röhre auf der Mars-Schale gestanden hatte, hatte er die erschreckende Vorstellung, eingesaugt zu werden. Ihm blieb nur, die letzten Meter auf Händen und Knien zurückzulegen, da er den Anblick im Stehen nicht ertragen konnte.
Er machte eine Bestandsaufnahme der nötigen Geräte und kehrte zur Shellback zurück. Dort montierte er eine Antenne ab und schloß sie an das Hauptfunkgerät des Schiffes an. Er stellte die Antenne unterhalb der Exis-Röhre auf und richtete sie so genau wie möglich aus. Dann ging er zurück zur Shellback und begann, das Erkennungssignal zu senden. Soo und das Institut für Solaristik würden bald von ihrer Ankunft erfahren. Ihr Signal würde fast fünfzig Minuten brauchen, um die gewaltige Distanz zur Mars-Schale zu überbrücken, und wenn Soo keine durchgehende Funkwache eingerichtet hatte, konnten sie frühestens in einigen Stunden mit einer Antwort rechnen.
In der Zwischenzeit hatte Sine Anura Niklas Boxas Autobiographie gefunden, die dieser auf die Innenhülle des Shuttles gekritzelt hatte. Cherry hatte sie auf der Stelle fotografiert. Das Postskriptum, das Boxa offensichtlich erst nachträglich hinzugefügt hatte, verwirrte sie:
Ich spüre, daß sie mich holen werden, die Geschöpfe der Nacht mit ihren leuchtenden Augen. Es hat keinen Sinn, sich zu wehren. Ich werde vor den Terminal gehen und auf sie warten. Nur der Himmel weiß, was mich erwartet, aber nach der endlosen Einsamkeit ziehe ich fast jedes
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