Die Verlorenen
aber stetig. Als wäre das Artefakt mehr gewesen als nur Mittel zur Fortpflanzung. Als hätte das Wissen um seine Präsenz dazu beigetragen, die alten Werte und Traditionen aufrecht zu erhalten.
Deshalb war Landru dem Ruf Geromes nach New Orleans gefolgt. Zumal er, wenn getan war, was getan werden mußte, die Reise in die Neue Welt auch nutzen konnte, um hier nach Hinweisen auf den Verbleib des Lilienkelches zu forschen.
Doch zunächst galt es, sich des Abtrünnigen anzunehmen. Wie er Gerome schon gesagt hatte, war ihm das Problem nicht neu. Es stellte sich in der Tat stets, wenn irgendwo auf der Welt Kriegsgemetzel entbrannten. Und Landru gestand sich ein, daß er die Beweggründe jener Vampire, die sich in solchermaßen verlockender Situation dem Blutrausch ergaben, nachvollziehen konnte - ein wenig zumindest. Denn viele Oberhäupter hielten die Angehörigen ihrer Sippen allzu kurz, was ihre Blutgelüste anging.
Und so ergriffen manche eben die erstbeste Gelegenheit, sich das Gedärm im Überfluß mit dem Elixier der Alten Rasse zu füllen, zumal die Angst, in der die Opfer zu Kriegszeiten oft unterbewußt lebten, dem Blut die rechte Würze verlieh.
Landru störte sich nicht in erster Linie daran, daß ein Vampir eigene Wege ging. Schließlich tat er selbst nichts anderes, wenn auch aus gutem Grunde. Viel schwerer wog der »Überschuß« an Dienerkreaturen, der solchen Alleingängen oft anhing. Einmal dem Blutrausch verfallen, saugten diese Vampire ihre Opfer bis zum letzten Tropfen aus, so daß sie daran starben - um sich dann, beseelt vom Keim des Bisses, zu Untoten zu erheben. Und diese Kreaturen bedurften der Führung ihrer Herren. Doch ein solches Heer, wie es in diesen Fällen erstand, war von einem einzelnen nicht zu kontrollieren.
Dazu kam noch, daß, wenn diese Unsitte um sich griff, die Vampire sich auf lange Sicht die Nahrungsquelle entzogen. Denn es war abzusehen - wenn man wie die Alte Rasse in Jahrzehnten als kleinster Zeiteinheit rechnete -, daß die Menschheit in naher Zukunft ausgerottet sein würde, samt und sonders überbordender Blutgier zum Opfer gefallen. Zumal sich ja auch die Dienerkreaturen aus den Adern Lebender nährten, ohne allerdings selbst Kreaturen schaffen zu können.
Aber auch das war nicht der einzige, nicht einmal der wichtigste Grund, der Landru solchem Treiben Einhalt gebieten ließ. Die größere Gefahr sah er darin, daß Legionen von Untoten die Menschen auf die Alte Rasse aufmerksam machen würden. Früher oder später mußten auch der Dümmste und der Blindeste sich einen Reim darauf machen, wer für solche Vorfälle verantwortlich war. Und wenn erst einmal zur kollektiven Jagd auf die Vampire geblasen wurde, dann stand die Alte Rasse auf verlorenem Posten. Denn es gab sehr wohl Mittel und Wege, ihnen den Garaus zu machen.
Doch diese Überlegungen waren müßig, und Landru schob sie beiseite. Er war mit der Lösung dieses Problems vertraut, und sie war nicht einmal sonderlich schwierig. Denn die Menschen selbst lieferten ihm mit ihren Kriegen das geeignete Werkzeug.
Er mußte nur die richtige Verbindung knüpfen.
Und Landru fand einen geeigneten Kontaktmann.
Einen hochdekorierten sogar.
*
»In derselben Nacht...«, fuhr Zefrem fort... ... lag Agamemnon in seiner Hütte auf dem Bett, die Augen ge-schlossen, ohne zu schlafen, darauf wartend, daß Semiramis sich wieder davonstehlen würde, hinüber zum Herrenhaus, um sich dem Master hinzugeben und ihm am Ende ihr Blut zu offerieren.
Der Schwarze fröstelte trotz der Schwüle, die ihm den Schweiß aus allen Poren trieb und jeden Atemzug zur Qual machte. Doch die stickigfeuchte Luft im einzigen Raum der Hütte war nicht der eigentliche Grund.
Der andere lag neben ihm.
Semiramis.
Nach jener Nacht, in der Agamemnon das schwarze Mädchen mit Jacques La Fore beobachtet hatte, hatte es sich noch einmal verändert. Gravierend. Sie war eine völlig Andere geworden. Daß sie sein Bett noch teilte, hätte Agamemnon zutiefst verwundert - wenn er fähig gewesen wäre, einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen.
Nun, das stimmte nicht ganz. Er konnte sehr wohl noch klar denken. Aber nur dann, wenn es um seinen Plan ging.
Seinen Plan . ..
Hätte der Schwarze sich nicht so elend gefühlt, hätte er vielleicht aufgelacht.
Sein »Plan« für das, was er vorhatte, beschränkte sich darauf, abzuwarten, bis Semiramis die Hütte verließ, dann wollte er sich aus dem Staub machen, von der Plantage fliehen.
Einen Fluchtweg hatte er
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