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Die Verlorenen

Die Verlorenen

Titel: Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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sich bei der Arbeit ausgesucht. Er führte durch das mehr als mannshohen Zuckerrohr in die Sümpfe hinüber. Dort würde er dann weitersehen, darauf hoffend, daß etwaige Verfolger zwischen den morastigen Tümpeln und Wasserlöchern nicht so schnell vorankommen würden. Und um die Hunde abzulenken, hatte Agamemnon ein paar Fleischreste von den Mahlzeiten aufgehoben.
    Doch dieser großartige »Plan« schien schon im Anfangsstadium zu scheitern. Daran nämlich, daß Semiramis sich offenbar ausgerechnet in dieser Nacht nicht davonschleichen wollte.
    Agamemnon wartete noch dreimal so lange, wie er brauchte, um so weit zu zählen, wie er konnte. Dann schob er sich aus dem Bett, zentimeterweise und fast lautlos - und doch nicht vorsichtig und leise genug.
    Die Stimme erreichte ihn auf halbem Wege zur Tür.
    »Agamemnon?«
    Er wandte sich um. Semiramis saß im Bett. Im schwachen Licht, das von irgendwoher kam und kaum mehr als Umrisse erkennen ließ, sah er eines doch ganz deutlich: die beiden dunklen Punkte, die wie nachtschwarze Muttermale seitlich an Semiramis' Hals prangten.
    »Wo gehst du hin?«
    Er zögerte, vielleicht zu lange.
    »Nur ... nur mal raus. Mir ist so warm«, brachte er dann endlich hervor.
    »Draußen ist es nicht kühler, trotz des Regens«, meinte sie. Und dann, mit einem zuckersüßen und zugleich unendlich verruchten Locken in der Stimme: »Komm her zu mir, Agamemnon, denn mir ist kalt, furchtbar kalt.«
    Sie breitete die Arme aus, stand auf. Nackt kam sie auf ihn zu, jeder Schritt eine Provokation. Doch sie verfing nicht bei Agamemnon, nicht mehr. Jede ihrer Bewegung erinnerte ihn daran, was Se-miramis mit Jacques La Fore, diesem widerlichen Kerl, getrieben hatte.
    Ihre Schönheit, ihr makelloser und herrlicher Körper mit den kleinen festen Brüsten waren das einzige, was sich nicht an ihr verändert hatte. Die ärgste Veränderung aber fiel Agamemnon erst jetzt auf. Vielleicht war sie zuvor auch noch nichtdagewesen .
    Er hörte ein ganz leises, feucht klingendes Knirschen.
    Semiramis öffnete den Mund.
    Agamemnon schrie erstickt auf.
    Die Eckzähne des Mädchens waren mit einemmal nadelspitz und so lang, daß sie die Unterlippe berührten. Wie jene, die der Master ihr in den Hals geschlagen hatte.
    Sie fauchte, und ihr Ton wurde schneidend. »Komm her, verdammter Bastard! Ich will dein Blut!«
    Agamemnon schluckte trocken; seine Kehle kratzte und schmerzte.
    »Semiramis«, stieß er dann hervor, »nein, geh weg. Bitte .«
    »Hör auf zu winseln!«
    Sie sprang.
    Agamemnon streckte wie im Reflex die rechte Faust vor.
    Semiramis stürzte getroffen zu Boden, ächzte benommen.
    »Ich ... das wollte ich nicht ...«, stammelte Agamemnon.
    Lauf, du Narr! Renn weg! So schnell du kannst!
    Die Stimme klang hinter seinen Ohren auf, direkt in seinem Kopf.
    Agamemnon gehorchte ihr. Er rannte aus der Hütte, zwischen anderen hindurch, und schon bald tauchte er in den hochstehenden Zuckerrohrfeldern unter. Trotzdem konnte er Semiramis' gellenden Ruf noch hören.
    »Er flieht! Ihm nach!«
    Der Schwarze wußte, daß tatsächlich eine ganze Weile, mindestens ein paar Minuten vergangen sein mußten, bevor er weit hinter sich Geräusche vernahm, die von Verfolgern kündeten. Aber es kam ihm vor, als würde er sie hören, kaum daß Semiramis' Stimme verhallt war.
    Er rannte scheinbar endlos durch die Felder und dann noch ewig lange über fast freie Flächen, auf denen nur vereinzelte Sträucher und Bäume Sichtschutz boten, bevor er die Sümpfe erreichte. Ein paarmal drehte er sich im Laufen um, doch er sah niemanden, der ihm folgte. Was nicht bedeuten mußte, daß ihm niemand folgte.
    Agamemnon rannte weiter, und als wäre das Schicksal zur Abwechslung einmal auf seiner Seite, fand er mit jedem Schritt festen Boden, obwohl er immer tiefer in das Sumpfland eindrang.
    Seine Lungen brannten längst, als würde er flüssige Lava atmen, und in seinen Lenden bohrte ein Schmerz, als würden ihm fortwährend Messer hineingetrieben.
    Doch er verlangsamte sein Tempo nicht.
    Niemals! schrie es in ihm. Ihr kriegt mich nicht! Verdammte Blutsauger!
    Der Geruch und die Geräusche der Sümpfe nahmen ab. Nach einer Meile nahm Agamemnon sie überhaupt nicht mehr wahr. Und nach einer weiteren Meile erreichte er Baumwollfelder, nicht viele und nicht besonders groß. Sie gehörten demnach nicht zu einer Großplantage, eher zu einer kleineren Farm.
    Minuten später entdeckte Agamemnon in der Ferne ein Licht. Der Anblick weckte irgendwelche

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