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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regula Stämpfli
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Aussehen, die unerbittliche Kontrolle und Bestrafung, der unglaubliche Narzissmus, der meinen bis dahin immer unbeschwerten Umgang mit Jungs und Männern völlig zerstörte, dieses Gefühl werde ich nie vergessen.

    Die Publizistin Natasha Walter hat meine ureigene Erfahrung in »Living Dolls« als »den neuen Sexismus« beschrieben. Sie erklärt mit eindrücklichen Beispielen, weshalb junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. So hat auch Natasha Walter aufgeweckte Studentinnen, die mit Herz und Seele mitten in ihrem Studium stecken. Doch sobald die Diskussion auf den weiblichen Körper kommt, verdunkeln sich die Gesichter der jungen Frauen. Die Frauen fühlen sich gespalten: in Studium und Beruf erfolgreich, im eigenen Körper wie in einem Gefängnis festgehalten.

    Ich zeige Ihnen im nächsten Kapitel, dass die Essstörungen, die Schönheitsoperationen, die Pathologisierung der Frauenkörper, endlich auch vor einem philosophischen Hintergrund betrachtet werden sollten. Denn wie Frauen mit sich und ihrem Körper umgehen und welche Formen sie aufweisen, ist nicht nur ein Frauen-, sondern ein gesellschaftliches Problem.

    Da wir aber immer nur innerhalb unserer eigenen Zeit und der ihr eigenen Werte existieren, gibt es auch keine absoluten Kriterien für richtig und falsch.
    Lassen Sie sich also nicht mehr unkritisch von der Wissenschaft vorschreiben, wie Sie sich als Frau in Ihrem Körper zu fühlen haben!

    Denn: Nicht Ihr Körper ist falsch, sondern die Zeit, in der Sie leben!

    Vom griechischen »Erkenne Dich selbst« sind wir nämlich schon längst beim »Verschönere Dich selbst« gelandet. Vielleicht ist es an der Zeit, zuerst einmal all das zu erkennen, was wir mit Bestimmtheit nicht sein wollen.

Kennen Sie das Gefühl, ständig sich selbst von außen zu beobachten? Ich glaube, das ist besonders Frauen nicht fremd. Immer sind sie den Blicken anderer ausgesetzt oder, noch unbarmherziger, ihrem eigenen Blick. Die Art, sich selbst und den eigenen Körper ständig kritisch zu beäugen, macht krank. Die Unsicherheit wächst mit dem gnadenlosen Bild der Hochglanzmagazine, die uns ständig dazu ermuntern, Vergleiche anzustellen. Ein Soll-Ist-Abgleich, in dem es nur Verliererinnen gibt.

    Von der Krise eines Menschenbildes, das sich in einer fehlgeleiteten Kommunikation zwischen dem Subjekt Frau und ihrer Spiegelung ausdrückt, erzählen schon die Gebrüder Grimm in »Schneewittchen«:

    Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab. Da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich: Hätt’ ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen! Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es ward darum Schneewittchen genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin.
    Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig und konnte nicht leiden, dass sie an Schönheit von jemand sollte
übertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie:
    »Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?«
    so antwortete der Spiegel:
    »Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.«
    Da war sie zufrieden, denn sie wusste, dass der Spiegel die Wahrheit sprach. Schneewittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner. Als es sieben Jahre alt war, war es so schön wie der klare Tag und schöner als die Königin selbst. Als diese einmal ihren Spiegel fragte:
    »Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?«
    so antwortete er:
    »Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier,
aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.«
    Da erschrak die Königin und ward gelb und grün vor Neid. Von Stund’ an, wenn sie Schneewittchen erblickte, kehrte sich ihr das Herz im Leibe herum, so hasste sie das Mädchen. Und der Neid und Hochmut wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen immer höher, dass sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte. Da rief sie einen Jäger und sprach:

    »Bring das Kind hinaus in den Wald, ich will’s

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