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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regula Stämpfli
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Auffangwanne für unser geliebtes Sperma.«

    Dieses Statement zeigt, dass eben auch Männer in der gnadenlosen Leistungsfalle angekommen sind und nur noch als Superperformer ein vermeintlich gutes Selbstwertgefühl entwickeln können. Denn rund um die Uhr versorgt uns die nimmermüde Pornoindustrie mit einer endlosen Zahl von Filmen, die so aussehen, als ob ewigpotente Zirkusartisten in den haarsträubendsten
Stellungen an den absonderlichsten Orten Sex haben. Je länger wir schauen, umso größer ist die Gefahr, noch eine erfüllte Sexualität mit unseren Partnern im realen Leben gestalten zu können. Die Pornografie birgt die Gefahr, das ureigene Begehren in eine simple Triebabfuhr zu verwandeln. Sie lässt uns leer und einsam zurück, weil sie eben nicht uns, sondern nur unsere Augen zukleistert und unsere Triebe abführt.

    Die öffentliche Sexualität unserer Zeit will aber sowieso nicht einen glücklichen Menschen, sondern sie hat das Heer der Unglücklichen als Zielgruppe im Auge. Denn all die Unerfülltheit von Millionen von Menschen befeuert und ermöglicht eine Industrie, die weltweit zwischen 60 und 90 Milliarden jährlich umsetzt (die Zahlen variieren mehr als die Brustgrößen der Hauptdarstellerinnen von Pornos). Der Wanderzirkus der Heilsbringer hat dann für jede unbefriedigte Frau das scheinbare Patentrezept zur Hand:
    Ihr Mann hat nicht so viel Lust auf Sie? Bieten sie ihm doch eine ganz private Sexshow im heimeligen Vorstadtschlafzimmer mit Lapdance und heißen Dessous.
    Sie können beim Sex keinen Orgasmus bekommen? Dann kaufen Sie sich unverzüglich einen Super-Deluxe Vibrator mit stufenlos verstellbarer Geschwindigkeit, rotierender Spitze und integriertem Spermareservoir in der Trendfarbe der Saison. Wenn der dann auch noch im entscheidenden Moment Ihren Namen haucht, steht Ihrer Erfüllung eigentlich ja nichts mehr im Weg. Die US-amerikanische Online-Partnervermittlungsagentur Chemistry. com bietet seit einigen Jahren die Möglichkeit, den »richtigen« Partner aufgrund der passenden biochemischen Zusammensetzung zu finden. Fragebögen errechnen die Hormon- und Neutronentransmitteraktivitäten, die laut Agentur »den Kern dessen ausmachen, wer wir als menschliche Wesen sind«. Wow. Und unsereins mühte sich auf Partys und in Bars nächtelang ab, den Partner fürs Leben zu finden. All das Flirten, die Gespräche, die verstohlenen Blicke und das hoffnungsvolle Bangen könnte man sich ganz einfach sparen.

    Tausende von Menschen haben es zumindest via Chemistry. com schon probiert, die große Liebe via Reagenzglas zu finden. Der Trend, selbst die Liebe nur als biochemischen Vorgang zu sehen, hat den Weg aus den USA längst in alle Ecken der Welt gefunden.
    Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen und würde doch nur immer weiter vom eigentlichen Problem wegführen. Denn es ist eben nicht der«unperfekte”, der zu alte oder medizinisch nicht austarierte Körper, der als Hindernis zum sexuellen Glück im Weg liegt.
    Es ist vielmehr das Begehren, das uns fehlt.
    Hier liegt ein wichtiger Zusammenhang, der wenig diskutiert wird. Je mehr evolutionsbiologistischer Schrott öffentlichrechtlich und privat aufgetischt wird, umso eher rückt der Körper ins Lampenlicht. Nur wenig Menschen realisieren, dass es von Darwin eine direkte Verbindung zur amerikanischen Serie »Sex and the City« gibt. Jede Kleinigkeit, Vorliebe oder körperliches Merkmal wird haarklein, sterilisiert und rasiert ausgeleuchtet. Dies geschieht zunächst via Wissenschaft, dann werden diese pasteurisierten Menschenbilder in den Medien als stilformend verkauft. Die zivilisatorischen Tabubrüche durch die Wissenschaft werden uns allen aufgepfropft, ob wir dies wollen oder nicht.

    Natasha Walter berichtet von jungen Frauen, die von ihren Partnern durch die Pornografie entwürdigt werden. »Ich habe das Gefühl, dass er mich irgendwie benutzt, wenn wir zusammen sind, um Fantasien nachzuspielen, die er in den Pornos gesehen hat. Ich frage mich, ob er sich eine Frau aus dem Internet vorstellt, statt auf mich einzugehen.« (Natasha Walter, Living Dolls, S. 153)

    Sagt eine Frau, sie finde diese Pornos anstößig, wird sie als altbacken und verklemmt in eine Ecke gestellt. Dabei prägen Pornos die eigenen erotischen Beziehungen. Auch wenn man im Internet mittlerweile »anständigen Porno« zu sehen bekommt,
der Großteil zeigt Bilder voller Frauenverachtung und eine Sexualität, die vollkommen durch den Männerblick geprägt ist.

    Ich

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