Die Vermessung der Frau
Frau nicht will, sie jeden noch so guten Tänzer aus seiner Bahn werfen kann. Sie kann ihn völlig blockieren. Wünschten wir uns dies nicht ab und an, dass wir geführt würden, aber klare Möglichkeiten hätten, Stopp zu rufen? Oder dass sie die Rollen tauschen, aber dafür bewusst? Das Tanzen in verschiedenen Rollen ist pure Lebensfreude und viel bunter, als einfach auf uniforme Bewegungen und Körper festgelegt zu werden.
Nun reiben Sie sich wohl die Augen und fragen sich, was mich denn antreibt, Ihnen als echte Weiblichkeit einen klassischen Machotanz anzubieten und dafür das sexy Stangentanzen verbiete?
Es geht mir wie oft in diesem Buch darum, über die Angebote, die uns die Welt vormacht, nachzudenken. Klassische Geschlechterrollen können auch vertauscht werden. Das heißt, mal spielt die Frau Mann, mal der Mann Frau. Das wäre eigentlich ein menschlich anregendes Spiel, das viele Möglichkeiten
offenlassen würde. Was uns Frauen im Westen jedoch als Weiblichkeit serviert wird, ist ein nackter Abklatsch des Spiels zwischen den Geschlechtern. Pole Dancing ist nicht Geheimnis und Fantasie, sondern reine Fleischschau.
Doch Pole Dancing ist ja nur eine Facette und ein Beispiel für all das, was uns wie eine Religion von Körper und willenloser Persönlichkeit vorgespielt wird. Schauen wir weiter und kommen zum sexuellen Akt.
Die deutsche Künstlerin Emma P. machte ihrer Empörung auf ihrer Facebookseite über die doofen Vorschriften aus Frauenzeitschriften, wie sie doch einen Mann abkriegen könnte, Luft:
»Bisher habe ich mich immer geweigert, über das Thema Sex zu schreiben. Nicht aus Prüderie, nein, vielmehr aus Langeweile. Ich bin gelangweilt von der gesamten Maschinerie, die dahintersteckt. Es wird uns erzählt, welche Sexpraktiken den Männern gefallen, welche Rasierer die Beine schön glatt machen, welche Handtasche uns aufwertet usw. Wir wollen gefallen, weil wir uns eine Beziehung wünschen, und wie bekommen wir die? Ja, indem wir eine Granate im Bett sind! Wir schauen mit den Männern Pornos, obwohl wir es nicht gerne haben, dass er sich nicht an uns aufgeilt, sondern an der silikonisierten Blondine, die sich (sorry) in den Arsch ficken lässt. Also tun wir es auch. Dem einen Mann versohlen wir den Hintern, dem nächsten binden wir die Eier ab, wir lassen uns fesseln und ziehen uns ein Krankenschwesternkostüm an und verzichten auf Kondome. Wir geben dem ›Baby‹ die Brust, und wir rennen mit dem Nächsten in einen Swingerclub. Wir verbiegen uns, bis wir brechen. Am Ende stellen wir fest, dass ein Mann nicht durch Sexualität zu halten ist, schon gar nicht, wenn er auf Gang Bang steht.«
Hier sind alle Themen angesprochen: Frauen kämpfen ständig zwischen Autonomie und Anerkennung – rasieren wir uns nun die Scham, weil wir das toll finden oder weil wir begehrt werden wollen?
Die sexuelle Revolution scheint vor allem den Männern viel Freiheit gebracht zu haben. Denn entgegen postulierten, postfeministischen
Beliebigkeitsergüssen ziehen viele Frauen ihren Selbstwert immer noch aus der Liebe und nicht aus der Zahl ihrer sexuellen Eroberungen. Doch die Frauen treffen mit ihrem Wunsch nach Nähe, Bindung und Verlässlichkeit auf Männer, deren Status heutzutage nicht mehr von Familie und Kindern, sondern nur noch vom beruflichen Erfolg und den sexuellen Eroberungen geprägt ist. Zusätzlich dröhnen alle evolutionsbiologischen Schriften im Sekundentakt: »Männer wollen vögeln, Frauen wollen nesten!« Dies erzeugt unter Frauen und Männern viel Einsamkeit und Leid. In: »Warum Liebe weh tut« erklärt die Soziologin Eva Illouz im Detail, wie schmerzhaft die Moderne nicht nur den Körper der Menschen umformt, sondern vor allem die Gefühle.
Dass Männer nicht nur vögelnde Testosteronmaschinen sind, sondern auch Menschen, beschreibt eine kluge Antwort eines Mannes auf Emma P.’s Empörung:
»Immer höher, immer schneller, immer mehr und meist immer für noch mehr Geld. Wir Männer lassen uns völlig ungestraft in Schubladen stecken, denen nur einige Wenige von uns wirklich gerecht werden. Wenn Mann der allgemeinen silikongeschwängerten Frauenwelt Glauben schenken darf, hat jeder männliche Zeitgenosse nichts anderes zu tun, als Pornos zu schauen, sein Geschlecht stundenlang im Spiegel anzustarren (auf dass es noch wachse) und von einem Dreier zu träumen. Wir, nach dem Sex sofort Einschlafende, analfixierte und blondinengeile Brustfetischisten suchen immer die nächste vaginale
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