Die Vermessung der Lust (German Edition)
gefrühstückt, das Übliche besprochen (vor allem das Abendessen, er würde Nudeln mit Gulasch und grünem Salat zubereiten), dann flüchtig, aber zärtlich geküsst. Er hatte ihr nachgeschaut, auch das wie immer, liebevoll und bangend, dass sie heute Abend gesund nach Hause käme.
Etwas jedoch war jetzt, da er alleine in der Küche saß und den Kaffee vor sich kalt werden ließ, anders. Ein fremdes Gefühl rumorte in ihm, schwer zu beschreiben, wohl auch deshalb, weil er sich dagegen sträubte. Dieses Gefühl war ein Eindringling, eine Bedrohung seiner Welt. Eifersucht.
Sie betrügt mich, dachte er. Ihr Blick, es lag in ihrem Blick, sie betrügt mich, aber das ist vollkommen in Ordnung. Ich habe sie einfach nicht verdient, ich muss ihr dankbar sein, wenn sie mich nicht verlässt, mein Gott, warum verlässt sie mich nicht?
Er erinnerte sich daran, wie sie vor fünf Jahren zum letzten Mal miteinander geschlafen hatten. Er hatte sich diese blauen Pillen besorgt, heimlich eine geschluckt und auf die Wirkung gewartet. Es dauert eine Stunde, stand auf der Packung. Man musste also präzise vorgehen, als er die Wirkung spürte, saß sie vor dem Fernseher und schaute einen Jane-Austen-Film, »Stolz und Vorurteil«, Konrad mochte ihn nicht besonders, er war ihm zu kitschig.
Und er tat etwas, das er noch nie zuvor getan hatte, er bedrängte sie, ließ sie spüren, dass etwas an ihm sie begehrte.
Sie hatte gelächelt, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen, wo die Heldin gerade ihren Liebsten fand. Er hatte zurückgelächelt, obwohl er sich schrecklich fühlte. Sein Herz raste, er schwitzte, er schnappte nach Luft, sein erigiertes Glied drohte zu platzen.
Endlich lagen sie im Bett, knapp zwei Stunden, nachdem er die Pille geschluckt hatte, deren Wirkung noch immer anhielt, aber langsam nachzulassen drohte. Konrad kürzte das sonst übliche Vorspiel, drang in Madeleine ein, sie sagte »aua«, er zog sofort zurück, nein, er wollte es, ihre Hände drückten seinen Körper gegen den ihren.
Er kam, als sein Glied gerade dabei war zu erschlaffen. Sie machte »ah, ah«, ein halbherziger Versuch, ihm einen Orgasmus vorzugaukeln, nein, als Schauspielerin war sie immer schlecht gewesen, obwohl sie ihm früher oft von der Theater-AG in der Schule vorgeschwärmt hatte, wo sie »Romeo und Julia« aufgeführt hatten.
Danach wankte er ins Bad und übergab sich, nahm die restlichen Pillen und spülte sie ins Klo. Das war sein letzter Orgasmus gewesen, das letzte Mal, dass er Madeleine beigewohnt hatte, das letzte Mal auch, dass sie »ah, ah« machen musste.
Und jetzt nahm sie es sich eben von einem anderen Mann. In Ordnung. Nichts weiter als ein biochemischer Vorgang, auch nicht intimer als sich die Hand zu geben, wenn man es nicht so genau nahm. Sie war auch rücksichtsvoll genug, es ihm nicht zu sagen. Keine dramatische Szene, dein Deklamieren von Begründungen. Mit der Zeit würde sie lernen, ihm keinen Anlass zu geben, es überhaupt zu bemerken, wenn sie wieder einmal von diesem anderen beschlafen worden war.
Aber wer war dieser andere? Das brauchte ihn nicht zu interessieren, es interessierte ihn aber. Brennend sogar. Dieser Doktorand, Lars hieß er, auf der Institutsweihnachtsfeier war Konrad aufgefallen, wie dieser junge hübsche Kerl Madeleine angeschaut hatte, oder doch Schiffler, dieser unsägliche alte Bock, der mehr Studentinnen durch sein Bett als durchs Examen geschleust hatte, wie alle Welt wusste. Nein, nicht Schiffler bitte, bloß nicht. Der war Mitte fünfzig, also bedenklich nahe an seiner eigenen Altersklasse, das wäre ein Affront, das würde sie ihm nicht antun. Der Doktorand war durchaus in Ordnung.
An diesem Morgen fuhr Konrad wie immer in die Stadt zum Einkaufen. Gutes Gulasch, frischen Salat. Beim Gemüsehändler bediente ihn eine junge Frau, sie hatte gestutzt, als sie ihn sah, so als erinnere sie sich an ihn, dann hatte sie ihn mit »Schönen Tag noch, Herr Vulpius« verabschiedet und gelächelt. Woher kannten sie sich? Konrad hatte sie heute zum ersten Mal beim Gemüsehändler gesehen, sie schien also neu zu sein. Ein hübsches Mädchen mit intelligenten Augen.
Einen Moment lang spielte Konrad mit dem Gedanken, wie es wäre, würde er Madeleine mit diesem Mädchen betrügen. Nein, es war nicht in Ordnung, er hatte kein Recht, seine Frau zu hintergehen. Außerdem müsste er dann wieder die blauen Pillen schlucken, eine Vorstellung, die sofort seinen Magen zusammenzog. Er musste schleunigst an etwas
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