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Die Vermessung der Lust (German Edition)

Die Vermessung der Lust (German Edition)

Titel: Die Vermessung der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catrin Alpach
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alten Mann, durchfuhr es Konrad. Nichts weiter als einen alten Mann, der sich ein junges Mädchen betrachtet. Was denkt sie von mir? Er wusste es nicht.
    »Darf ich denn wiederkommen?« Diese Frage hatte sein müssen, sie nicht gestellt zu haben hätte er bereut. Simone nickte.
    »Natürlich. Aber das nächste Mal koche ich. Das heißt... ich versuche es. Okay?«
    Sie verabredeten sich für morgen.

    *

    Den Jungen kannte er natürlich. Lars von oben. Der stand ziemlich bleich hinter dem anderen, älteren Mann. »Schiffler. Dürfen wir mal reinkommen, Herr äh... Bergengruen?« Na okay, waren wenigstens keine Staubsaugervertreter. Und der Alte strahlte etwas aus, dem Bergengruen noch nie gewachsen gewesen war, Autorität, Sicherheit, eine kalte Arroganz. Er murmelte »ja« und machte den Weg frei.
    »Hübsch haben Sie es hier«, sagte der Mann, der Schiffler hieß, und setzte sich aufs Sofa. Hä? Das ging jetzt aber zu weit. Verarschen lassen musste er sich nicht, schon gar nicht in seiner eigenen Wohnung. Wo war es hier denn »hübsch«? Er sah zu Lars hin, der unschlüssig im Flur stand. Von dem war nichts zu erwarten, der wirkte wie paralysiert. Bergengruen folgte Schiffler ins Wohnzimmer.
    »Können Sie mir mal sagen, was...« Weiter kam er nicht. Schiffler patschte mit der Linken auf den freien Platz neben sich, so wie es Bergengruen gestern in Anwesenheit von Madeleine Vulpius getan hatte. »Setzen Sie sich doch«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Und zu Lars, der jetzt in der Tür stand: »Sie auch. Auf den Stuhl dort.«
    Dann saßen sie alle drei. Schifflers Hand tätschelte beruhigend Bergengruens Knie, was diesem äußerst unangenehm war. Wieder blickte er fragend zu Lars, dessen Blässe ihn alarmierte. Dem war offensichtlich gerade kotzübel, ein Zustand, von dem Bergengruen selbst auch nicht mehr sehr weit entfernt war.
    »Sie fragen sich, warum wir hier sind?«, begann Schiffler und nahm, Gott sei Dank, seine Hand von Bergengruens Knie. Nun, als Proband eines psychologischen Experiments sind Sie sicher darüber informiert worden, dass wir mit Hausbesuchen und Interviews die im Versuch gewonnenen Ergebnisse verifizieren, differenzieren, will sagen: vertiefen müssen.«
    Hm, war er nicht. Oder doch? Er hatte irgendetwas unterschrieben, um schnell an seine dreißig Euro zu kommen, ohne es wirklich gelesen zu haben. Also nickte er.
    »Gut«, fuhr Schiffler fort. Er sah sich um. Stand auf, ging zum Tisch, auf dem ein Anzeigenblättchen lag, einziges Zeugnis des gedruckten Wortes in Bergengruens Wohnung. Er setzte sich wieder und legte Bergengruen das Blatt in den Schoß.
    »Lesen Sie etwas. Irgendwas. So wie Sie normal reden, nicht affektiert, bitte, das hier ist kein Casting für eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung.«

    *

    Wozu das gut sein sollte, erschloss sich Bergengruen nicht. Der wollte seine Stimme hören, so wie die Vulpius seine Stimme hatte hören wollen. Was war mit seiner Stimme? Sprach er wie Robert de Niro oder wie der hieß? Er nahm das Blatt, entfaltete es und begann aufs Geratewohl zu lesen.
    »In Unterdingenbach eröffnet nach längerer Renovierung das Autohaus Wurm mit einem Tag der offenen Tür seine Pforten. Für alle Freunde des Motorsports werden die neuesten Offroadmodelle präsentiert, für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt. Der Erlös einer großen Tombola wird dem Verein gefallener Mädchen gespendet.« Und so weiter.
    Schiffler hörte ihm aufmerksam zu. Vielleicht interessierte er sich für Autos? Als der Alte geendet hatte, sah der Alte zu Lars und murmelte: »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, Herr Kollege? Besonderheiten in der Stimmfarbe, der Phrasierung, der Modulation?«
    Der Gefragte schüttelte nur stumm den Kopf. »Hm«, machte Schiffler und wandte sich an Bergengruen. »Sie sind ein bemerkenswertes Phänomen, mein Lieber. Erzählen Sie doch einmal, wie das mit Ihnen und Frau Kollegin Vulpius so ablief. Reden Sie viel beim Sex? Beschränken Sie sich auf die Standardstellungen? Fellatio? Cunnilingus? Irgendwelche Kostümierungen, Leder, Lack, Dessous, Schulmädchenlook, dominantes / devotes Verhalten?«
    Das also war es. Silvio Bergengruen sackte in sich zusammen wie ein völlig missratener Käsekuchen. Sie hatte ihn nur benutzt, er war nichts weiter gewesen als, wie es diese feinen Pinkel ausdrückten, ein Proband, ein Vesuchskaninchen also auf gut Deutsch. Und dafür dreißig Euro? Er schwor sich, wenigstens eine leistungsgerechte Bezahlung zu

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