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Die Vermessung der Lust (German Edition)

Die Vermessung der Lust (German Edition)

Titel: Die Vermessung der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catrin Alpach
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auf das Mensaessen und die Prüfungsordnungen, empfahlen sich Clubs und Lidschatten. Dann fragte Ariane: »Bist du eigentlich lesbisch?« und Dora zuckte nur mit den Schultern. »Aha«, quittierte Ariane, »erzähl doch mal.«
    Dora wollte nichts erzählen, das ging die doch nichts an. Ihr Mund war anderer Meinung und erzählte. »Wow«, sagte Ariane, »das mit der Aura war mir jetzt neu. Und diesen, wie hast du sie genannt?, X-Wellen.« Dora nickte. »Ich bin ziemlich durch den Wind grad, verstehst du das?« Jetzt nickte Ariane. »Klar versteh ich das. Normalerweise finden Lesben Frauen attraktiv, von denen sie guten Sex erwarten. Wie man das merkt? Keine Ahnung. Das herauszufinden ist dein Job. Wir schauen natürlich auch auf die Titten, auf den Arsch, wie Männer halt. Aber das ist nicht so wichtig. Der Blick, glaube ich, ja genau, der Blick. Das ist vielleicht das bei dir und Simone? Habt ihr euch in die Augen geschaut?«
    Dora überlegte. Hatten sie bestimmt. Ihre Gesichter waren sich ja ziemlich nahe gewesen. »Siehst du«, sagte Ariane, »der Blick. Es ist immer der Blick. Und es geht auch nicht nur um Sex. Zuneigung. Zärtlichkeit. Noch einen Kaffee?«
    »Bist du liiert?«, fragte Dora und schob hastig nach: Nicht dass du meinst...« Ariane schüttelte den Kopf und lächelte. »Schon klar. Ja, bin ich. Ältere Frau, also sechsunddreißig, Dozentin hier. Keine Namen. Sie hat fürchterliche Angst, dass ihre Eltern das Comingout nicht überleben würden. Wir reden auch nicht über die Zukunft, die ist uns einfach egal. Wir genießen uns. Was passiert, wenn du dich in Simone verliebst?«
    »Wenn ich lesbisch werde?« Wahrscheinlich schaute sie gerade wie ein Betrunkener, auf den eine U-Bahn zurast und dem dämmert, dass er irgendwie direkt auf den Gleisen steht.
    »Du hast dir noch keine Gedanken darüber gemacht«, stellte Ariane fest. »Und man wird auch nicht lesbisch. Man ist es oder man ist es nicht. Wahrscheinlich glaubst du eine Zeitlang, du wärst bi. Aber hallo, bi gibt es nicht, das ist der Sex der Unentschlossenen. Am Ende wird alles auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung hinauslaufen, das sagt jedenfalls Kate. Aber okay, die studiert BWL, die redet auch von Synergieeffekten, wenn sie aufs Klo muss und danach ihren Lippenstift erneuert.«
    Kosten-Nutzen. Männer gegen Frauen, wer ist sexuell ergiebiger? Dora wies den Gedanken weit von sich. All die verbotenen Dinge fielen ihr ein, die sie im hormonellen Wahn ihrer Pubertät zusammenphantasiert hatte: Ein Dreier gemischt, Sex mit mehreren Frauen, der von mehreren Männern lüstern hinter einer Glasscheibe beobachtet wird. Warum nicht bi? Man war dann doch viel flexibler.
    »Okay«, sagte Ariane, »ich rede einmal mit den Mädels. Dreißig Euro gibt’s auch noch? Gut, dann notier mal meinen Namen. Und das macht die Vulpius? Die ist übrigens auch lesbisch.«
    Dora wäre beinahe vom Stuhl gekippt. »Nicht wahr!«, stieß sie hervor. »Doch«, konterte Ariane, »sie weiß es bloß noch nicht. Wieder der Blick, glaub mir. Ich seh sie manchmal in der Mensa, ich erkenne sofort, ob eine lesbisch ist oder nicht.«
    »Also quasi... latent? Eine Schläferin, wie in Spionagefilmen. So... wie ich? Und was weckt uns? Ein Blick?«
    »Genau«, antwortete Ariane, »ein unvorhergesehenes Ereignis, alles bricht wie ein Kartenhaus zusammen, das ganze bisherige sexuelle Lügengebäude.«
    »Was studierst du eigentlich?«
    »Physik«, sagte Ariane und grinste.

    *

    Meine Fresse, es wurde immer besser! Eigentlich begann sich Silvio Bergengruen schon beim zweiten Sex mit einundderselben Frau etwas zu langweilen, aber mit Madeleine war es anders. Sie hatte ihn überrascht, war selbst aktiv geworden, wenngleich mit jener Portion Unterwürfigkeit, die Bergengruen an Frauen schätzte. Nein, diesmal nicht auf dem Sofa, Madeleine hatte darauf bestanden zu duschen. Er gestattete das. Sie verschwand im Badezimmer, Gott sei Dank hatte er es vorher noch schnell geputzt. Er hörte das Wassergeräusch, riss sich die Kleider vom Leib und stürmte ins Bad, schob den Duschvorhang zurück, schlüpfte unter den warmen Strahl des Wassers – wie lange schon hatte er dieses Gefühl vermisst – und sofort hatte Madeleine begonnen, ihn an der delikatesten Stelle einzuseifen. »Sag was«, hatte sie ihn aufgefordert, »sag irgendetwas.«
    Leichter gesagt als getan. Aber gut. Er sagte ihr ein paar obszöne Worte ins Ohr, sie seifte ihn weiter ein. Er stöhnte, sie forderte ihn auf, in ganzen Sätzen zu

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