Die Vermessung der Lust (German Edition)
aber gleich wieder verworfen. Erstens konnte das zu Missverständnissen führen und zweitens hätte er sowieso nicht gewusst, welche Sorte passend war, bestimmt keine roten Rosen.
Natürlich lobte sie seine Kochkünste gebührend, vor allem durch eindeutige Schmatzgeräusche und einmal auch ein »ah, ah«, meilenweit ehrlicher als das Madeleines bei ihren vorgeblichen Orgasmen. Während sie aß, lockerte sich der Gürtel ihres Bademantels und gab den Blick auf ein wunderschönes Dekolleté frei, eine noch nass glänzende Schlucht zwischen Brusterhebungen.
Spielte sie mit ihm? Wollte sie ihn, wie es die Jugend nannte, aufgeilen? Nein, entschied Konrad, das passt nicht zu ihr. Sie ist eigentlich schüchtern, aber sie mag mich. Ich vermittele Geborgenheit, schon bei Madeleine war das von Anfang an so gewesen. Jemanden wie mich beurteilt man weder nach Schwanzlänge noch Brustkorb, man schätzt mich für andere, innere Stärken.
»Das Rezept müssen Sie mir unbedingt geben«, bat Simone. Konrad sah sie an. »Mit Vergnügen. Sie können es dann für Ihren Freund nachkochen.«
»Ich habe keinen Freund«, sagte Simone, Ich bin le... bi.« Und sah Konrad dabei direkt in die Augen, um seine Reaktion zu lesen. »Ach so«, sagte der nur. »Ja«, bestätigte Simone. »Schlimm?«
Nein, fand er nicht, da musste er nicht einmal lügen. Er hatte sowieso nie verstanden, warum Frauen mit Männern schliefen. Allein der Gedanke, es zu tun, ekelte ihn.
Simone räumte den Tisch ab und bat Konrad, auf der Couch Platz zu nehmen. Sie kam mit zwei Gläschen Holunderlikör zurück, ein Geschenk von Tante Agnes, die brannten ihren Schnaps noch selbst. »Gut für die Verdauung«, sagte Simone und setzte sich neben Konrad. Ihr Bademantel rutschte hoch, öffnete sich ein wenig. Ich darf jetzt nicht hinschauen, dachte der Mann, und schaute hin. Sie merkte es, wurde rot und streichelte so über den Stoff, dass es wieder züchtig aussah. Dass dieses Streicheln selbst weniger züchtig war, ahnte sie durchaus.
Jetzt musste Konrad ein Gespräch beginnen, über Simones Studium, wie lange noch, Zukunftsperspektiven, die Psychologie im Allgemeinen, bloß nicht über Madeleine.
»Sie interessieren sich also für Menschen?« Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Simone sah ihn überrascht an, nickte dann aber und antwortete: »Ja, sicher. Die Psyche ist faszinierend, finden Sie nicht auch?«
Er fand das natürlich auch. Seine beispielsweise, jetzt, in diesem Moment. Er atmete tief ein und aus. Warum starrte er auf Simones Knie? Er wollte nichts von ihr, nein, ganz bestimmt nicht. Sein Körper machte auch keine Anstalten, gewisse Teile zu durchbluten. Na schön, es kribbelte. Vielleicht, wenn er sie küssen oder ihr über das Haar streichen würde. Illusorisch. Es würde nicht passieren.
»Oh«, sagte Simone jetzt, »was müssen Sie nur von mir denken, dass ich so hier rumsitze!«
Er sagte ihr lieber nicht, was er gerade dachte, versuchte ein Lächeln, es gelang ihm recht ordentlich. Simone stand auf und ging ins Bad, die Tür blieb angelehnt. Wieder sagte sie »oh«. Und dann: »Könnten Sie wohl bitte... aber nur wenn es Ihnen nichts ausmacht... In meinem Schlafzimmer... Schlafzimmerschrank, die rechte Tür, das zweite Fach... ein Höschen...«
Warum sie es, mit ihrem Bademantel bekleidet, nicht selbst holte, verstand Konrad nicht. Er erhob sich, ging ins Schlafzimmer, warf einen sehr kurzen, aber intensiven Blick auf Simones Bett – ungemacht – und öffnete die Tür des Kleiderschranks. Höschen. Hier lagen einige herum, weiße, schwarze, cremefarbene, rote, blaue, sogar Stringtangas, welche mit Spitzen. Er entschied sich für ein blaues mit Spitzen, es war irgendwie durchsichtig, und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort blieb er einen Moment unschlüssig stehen, näherte sich dann der Badezimmertür und streckte das Höschen durch den Spalt.
Simone nahm das Höschen, Konrad ließ es los. Jetzt wurde etwas durchblutet, er merkte es und war sehr überrascht.
Zurück zum Sofa, hinsetzen, durchatmen, die Durchblutung kontrollieren. Nun ja, nicht viel, aber immerhin. Und ein sehr schönes Gefühl.
»Es war... sehr angenehm mit Ihnen«, sagte er, als sie wieder gemeinsam auf der Couch saßen. Simone trug das, was sie vor dem Baden getragen hatte, nur das Höschen war ein anderes. Kein BH, stellte Konrad fest.
»Ja, finde ich auch«, antwortete Simone und lächelte ihn an. Für zehn oder zwölf Sekunden sahen sie sich in die Augen. Sie sieht einen
Weitere Kostenlose Bücher