Die Vermessung des Körpers
entweder »ja« – dann bekommen die beiden das Geld und teilen es so auf wie von Person eins beschlossen – oder »nein« – in diesem Fall bekommt keiner von beiden Geld.
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Dieses Spiel ist bei verschiedenen Gelegenheiten schon unzählige Male gespielt worden. Für die zweite Person wäre es logisch, »ja« zu sagen, solange sie etwas von der ersten Person bekommt. Selbst wenn man ihr nur einen Cent zuspricht, ist es doch geschenktes Geld. In der Praxis aber sagt die zweite Person in der Regel »nein«, solange sie nicht einen ihrer Meinung nach gerechten Anteil des Geldes erhält.
Was als gerechter Anteil gilt, variiert von Kulturkreis zu Kulturkreis. Manche akzeptieren schäbige 15 Prozent, andere erwarten volle 50 Prozent. In Europa und den Vereinigten Staaten erwarten wir für gewöhnlich mindestens 30 Prozent, bevor wir »ja« sagen.
Das Experiment zeigt, dass wir Vertrauen und Fairness als etwas betrachten, für das es sich zu zahlen lohnt. Wir sind gewillt, Geld zu verlieren, um die Dinge ins Gleichgewicht zu rücken. Gründete die menschliche Logik ausschließlich auf wirtschaftlichem Denken, würde dies keinen Sinn ergeben – dann sollte man nämlich jede Summe annehmen. Das Gehirn trifft Entscheidungen jedoch nicht aus rein monetären Erwägungen heraus, sondern auf Basis einer wesentlich komplexeren Mischung von Faktoren.
Das soll nicht heißen, dass Geld bei dem komplexen Gewichtungssystem, das bei einer Entscheidungsfindung angewandt wird, keine Rolle spielen würde. Wenn beispielsweise ein Milliardär dieses Spiel spielen würde und eine Gesamtsumme von zehn Millionen auf den Tisch legen würde, ist es sehr gut möglich, dass Sie sich auch gerne mit nur 5 Prozent zufrieden geben würden – immerhin 500 000 Euro. Solange Sie nicht selbst extrem reich sind, ist eine halbe Million einfach eine viel zu verlockende Summe, die man nicht so leicht ablehnt, um jemandem eine Lektion in Fairness zu erteilen. Es ist ein interessantes Gedankenspiel, sich zu überlegen, wie wenig man selbst untersolchen Umständen annehmen würde. Wo zwischen einem (was die meisten Menschen ablehnen würden) und 500 000 Euro würden Sie denn die Grenze ziehen?
Abwägen der Optionen
Diese Art von Spiel scheint auf direkte Weise den Prozess der Entscheidungsfindung im Gehirn widerzuspiegeln. Verschiedenen Komponenten der Alternativen wird jeweils ein Gewicht zugeordnet. Je größer das Gewicht, desto wichtiger ist ein Faktor für die Entscheidung. Diese gewichteten Werte werden dann addiert, und die Option mit dem größten Gewicht gewinnt. Im Fall des Ultimatum-Spiels werden aller Wahrscheinlichkeit nach folgende Faktoren gewichtet:
Um wie viel Geld geht es insgesamt?
Wie viel Geld besitzen Sie bereits, und wie viel brauchen Sie? (Soll heißen: Wie wichtig ist die angebotene Summe für Sie und Ihr Leben?)
Wie fair ist die Aufteilung, die von der anderen Person vorgeschlagen wird?
Stimmt das Ganze überhaupt? (Werden Sie das Geld tatsächlich bekommen, oder ist alles nur hypothetisch?)
Wie ist Ihre Beziehung zu der anderen Person?
Müsste ein Computer diese Abwägung vornehmen, würde er Punkte für die Gewichtungen vergeben und so auf eine Reihe von Zahlen kommen, die er dann vergleichen könnte. Im Gehirn findet diese Punktebewertung zwar auf analoge Weise statt – dabei spielen etwa die Stärke eines elektrischen Impulses oder die Konzentration einer chemischen Substanz eine Rolle –, der Effekt ist jedoch mehr oder minder derselbe.
Alle Faktoren zulassen
Wir bilden uns ein, unsere Entscheidungen auf der Grundlage von Logik zu treffen. Nicht jene Art kalter Logik, die Mr. Spock an den Tag legt und die uns beim Ultimatum-Spiel stets dazu raten würde, das Geld zu nehmen, sondern eine menschlichere Logik, die Beziehungen, Vertrauen und Fairness als ebenso wichtige Faktoren wie rein wirtschaftliche Erwägungen in Betracht zieht. Vorausgesetzt, wir legten tatsächlich sämtliche Faktoren in die Waagschale, die bei einer Entscheidung eine Rolle spielen könnten, dann wären viele menschliche Wesen in diesem Sinne logisch. Man übersieht jedoch leicht, wodurch eine Entscheidung wirklich beeinflusst wird. So kann ein Resultat, langfristig betrachtet, vollkommen sinnlos erscheinen, wenn man beim Entscheidungsprozess großes Gewicht auf kurzfristiges Vergnügen gelegt hat.
Das passiert die ganze Zeit, wie man anhand relativ belangloser persönlicher Entscheidungen sehr schön sehen kann (soll ich den schmackhaften,
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