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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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lässt, einfach ignoriert. Würde man im Alltag nach diesem Ansatz leben, würde man niemals Geld für etwas ausgeben, das keinen eindeutigen finanziellen Vorteil brächte. Gut, man würde Nahrungsmittel kaufen, um am Leben zu bleiben, aber freilich nur das Allerbilligste, damit die erforderliche Nährstoffaufnahme gewährleistet bliebe. Man würde nie ins Kino oder ins Theater gehen. Man würde weder Konzerte besuchen noch Geschenke oder Mitbringsel kaufen. Man würde nie im Restaurant essen, weil man zu Hause stets etwas Billigeres kochen könnte. Das wirtschaftswissenschaftlich »perfekte« Leben wäre also nicht besonders lebenswert.
Haben Sie das bewusst getan?
    Wir haben gesehen, dass Sie permanent Entscheidungen treffen. Diese basieren auf einer komplexen Mixtur aus Vorteilen, oft mit einem eingeschränkten, verzerrten Blick für kurzzeitige Vorteile. Insgesamt jedoch halten Sie Ihre Entscheidungen sicherlich für bewusst. Es ist das »Ich« in Ihrem Kopf, Ihr bewusstes Denken, dem Sie den Prozess der Entscheidungsfindung zuschreiben.
    Wenn Sie über etwas nachdenken, beispielsweise über diese Frage, wo scheint dieses Denken dann stattzufinden? Wo, glauben Sie, befindet sich Ihr »Ich«? Die meisten Menschen verorten ihr Bewusstsein ungefähr hinter den Augen, als würde dort ein kleiner Mensch sitzen, der einen wesentlich größeren Automaten – Ihren Körper – steuert. Sie wissen, dass dort drinnen in Wahrheit niemand sitzt und die Hebel bedient, doch Ihr Bewusstsein scheint eine Art unabhängige Existenz zu führen und dem Rest des Körpers zu sagen, was zu tun ist.
    Dieses einfache Bild Ihres Bewusstseins als etwas im Innern Ihres Kopfes, das imaginäre Hebel drückt, um Ihren Körper zu bedienen, hat jedoch ein großes Manko: Die Gehirnforschung zeigt, dass ein beängstigender Teil Ihrer Entscheidungen vom Unterbewusstsein gesteuert wird. Es sind zwar trotzdem »Sie«, der die Entscheidung trifft, aber nicht Ihr bewusstes »Ich«, der aktive Teil, den Sie hinter den Kulissen vermuten.
    Stellen wir uns vor, Sie sitzen draußen, und neben Ihnen liegt ein Ball. Sie heben ihn auf und werfen ihn. Was passiert dabei in Ihrem Gehirn? Die natürliche Vermutung ist, dass Ihr Bewusstsein denkt, »Okay, ich werfe jetzt diesen Ball«, Signale an das Nervensystem sendet und Ihren Arm den Job erledigen lässt. Ich will nicht sagen, dass Sie buchstäblich, bewusst, wenngleich schweigend, formulieren, »Okay, ich werfe jetzt diesen Ball« – doch Sie trafen die bewusste Entscheidung, es zu tun, und dann taten Sie es.
    Die Gehirnaktivität hat mit zunehmenden Blutströmen zu tun. Durch die Überwachung der Hirnaktivität mittels fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie), bei der Blutströme im Gehirn aufgezeichnet werden, ist es möglich, zu sehen, wann die Entscheidung zur Ausführung einer Handlung stattfindet. Dies geschieht typischerweise eine Sekunde, bevor sich die Hand zu bewegen beginnt, im Unterbewusstsein. Das Bewusstwerden der Entscheidung tritt etwa eine Drittelsekunde später ein. Bevor Sie also denken, »Okay, ich werfe jetzt diesen Ball«, weiß Ihr Gehirn bereits, was es tun wird, und bereitet sich darauf vor. Erst dann wird Ihnen die Entscheidung bewusst.
    Das klingt verdreht und ziemlich beängstigend. Die Entscheidung wird getroffen, bevor man sich ihrer bewusst wird. Es ist fast so, als wäre man ein Roboter ohne eigenen, freien Willen. Die Realität ist jedoch weitaus komplexer. Erstens hat Ihr Bewusstsein Zeit, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass Sie auf einmal beginnen, etwas zu tun, was Sie gar nicht tun wollen, können Sie damit aufhören. Noch wichtiger ist, dass nicht irgendeine externe Kraft Ihre ursprüngliche Entscheidung bestimmt, sondern trotz allem Sie selbst. Es war Ihnen nur nicht bewusst.
    Dennoch zeigen diese unbewussten Entscheidungen, wie komplex unsere Gehirnaktivität ist. Es ist wirklich äußerst schwer zu beurteilen, wie bewusst der Einzelne sich zu etwas entschließt (und in welchem Maße er – je nach dem Wert seines Handelns – dafür bestraft oder belohnt werden sollte).
Stimmungsschwankungen und Ruhepausen
    Ein signifikanter Unterschied zwischen dem Gehirn und einem Computer ist, dass das Gehirn viel mehr durch seine Umgebung beeinflusst wird. Sie glauben vielleicht, dass Ihr Computer gelegentlich schlechte Laune bekommt, doch abgesehen von Software-Abstürzen trifft er stets dieselbe Entscheidung, wenn man ihm

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