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Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Titel: Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LISA RANDALL
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der Dinosaurier darstellten.
    Glücklicherweise erscheinen die meisten richtigen wissenschaftlichen Vorstellungen mit der Zeit in einem weniger radikalen und akzeptableren Licht. Am Ende setzten sich naturwissenschaftliche Entdeckungen im Allgemeinen durch. Heute stellt niemand das heliozentrische Weltbild oder die Expansion des Universums in Frage. Aber wortgetreue Auslegungen wie die von Gosse werfen immer noch Probleme für Gläubige auf, die sie zu ernst nehmen.
    Weniger wörtliche Lesarten der Schrift trugen vor dem 17. Jahrhundert zur Vermeidung solcher Konflikte bei. In einem Gespräch beim Mittagessen erklärte die Gelehrte und Religionshistorikerin Karen Armstrong, in welchem Sinne der gegenwärtige Konflikt zwischen Religion und Naturwissenschaft in der Frühzeit nicht wirklich existierte. Religiöse Texte wurden damals auf vielen Ebenen gelesen. Daher war die Auslegung weniger wortgetreu und dogmatisch und folglich auch weniger konfrontativ.
    Im fünften Jahrhundert machte Augustinus seinen Standpunkt explizit: »Oft genug kommt es vor, daß auch ein Nichtchrist ein ganz sicheres Wissen durch Vernunft und Erfahrung erworben hat, mit dem er etwas über die Erde und den Himmel, über Lauf und Umlauf, Größe und Abstand der Gestirne, über bestimmte Sonnen- und Mondfinsternisse, über die Umläufe der Jahre und Zeiten, über die Naturen der Lebewesen, Sträucher, Steine und dergleichen zu sagen hat. Nichts ist nun peinlicher, gefährlicher und am schärfsten zu verwerfen, als wenn ein Christ mit Berufung auf die christlichen Schriften zu einem Ungläubigen über diese Dinge Behauptungen aufstellt, die falsch sind und, wie man sagt, den Himmel auf den Kopf stellen, so daß der andre kaum sein Lachen zurückhalten kann.«. [13]  
    Augustinus ging in seiner Feinsinnigkeit sogar noch weiter. Er erklärte, dass Gott absichtlich Rätsel in die Schrift einführte, um den Menschen das Vergnügen zu bereiten, sie zu lösen. [14]   Damit bezog er sich sowohl auf dunkle Stellen als auch auf Passagen, die eine metaphorische Interpretation verlangten. Augustinus scheint an der Logik und Unlogik von allem einen gewissen Spaß gehabt zu haben und versuchte, grundlegende Paradoxien zu interpretieren. Wie sollte beispielsweise irgendjemand Gottes Plan völlig verstehen oder schätzen können – zumindest dann, wenn Zeitreisen unmöglich sind? [15]  
    Galilei selbst hielt sich eng an den augustinischen Standpunkt. In einem Brief von 1615 an Madame Christina von Lothringen, der Großherzogin der Toskana, schrieb er: »Ich glaube erstens, dass es sehr fromm ist zu sagen, und vernünftig zu behaupten, dass die Heilige Schrift niemals die Unwahrheit aussprechen kann – wann immer man ihre wahre Bedeutung versteht.« [16]   Er behauptete sogar, dass Kopernikus ähnlicher Meinung war, und versicherte, dass Kopernikus »die Bibel nicht ignorierte, aber sehr wohl wusste, dass, wenn seine Lehre bewiesen werden würde, sie der Schrift nicht widersprechen könnte, wenn man diese richtig verstehen würde.« [17]  
    In seinem Eifer schrieb Galilei, Augustinus zitierend, außerdem: »Wenn irgendjemand die Autorität der Heiligen Schrift der deutlichen und offensichtlichen Vernunft entgegensetzen sollte, dann weiß der, der dies tut, nicht, was er unternommen hat; denn er setzt der Wahrheit nicht den Sinn der Bibel entgegen, der über sein Verständnis hinausgeht, sondern vielmehr seine eigene Interpretation; nicht das, was in der Bibel ist, sondern was er in sich selbst gefunden hat und von dem er meint, dass es in ihr stünde.« [18]  
    Augustinus’ weniger dogmatische Haltung zur Schrift beruhte auf der Annahme, dass der Text immer eine rationale Bedeutung hätte. Jeder scheinbare Widerspruch mit Beobachtungen der Außenwelt zeigte notwendig das Missverständnis des Lesers, auch wenn die Erklärung nicht auf der Hand lag. Augustinus betrachtete die Bibel als das Produkt der menschlichen Abfassung göttlicher Offenbarung.
    Insofern Augustinus die Bibel zumindest teilweise als Widerspiegelung der subjektiven Erfahrungen der Autoren auffasste, kommt seine Auslegung der Schrift in einigen Hinsichten nahe an unsere Definition von Kunst heran. Mit einer augustinischen Gesinnung bräuchte sich die Kirche angesichts naturwissenschaftlicher Entdeckungen nicht zurückzuziehen.
    Galilei war sich darüber im Klaren. Für ihn und andere, die ähnlich dachten, konnten die Naturwissenschaft und die Bibel unmöglich im Konflikt stehen,

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