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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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gehabt– ist dir das eigentlich klar?«
    Ich hielt meinen Blick gesenkt.
    » Wegen solcher Typen solltest du dir jedenfalls keine Vorwürfe machen«, sagte Blake halb ärgerlich, halb mitfühlend. » Vielleicht hat er ja sogar das bekommen, was er verdient hat.«
    » Das glaubst du doch nicht im Ernst.«
    Blake seufzte. » Er war ein eingebildetes kleines Arschloch, Sarah, das sich mit einem Nein nicht abfinden konnte. Du wirst doch von allen Seiten nur ausgenutzt. Fang endlich an, dich um dich selbst zu kümmern.«
    Als ich versuchte, die Tränen wegzuschniefen, die mir unweigerlich in die Augen stiegen, angelte Blake eine Packung Taschentücher von einem Beistelltisch und gab sie mir.
    » Ist das deine professionelle Meinung?« Ich machte mir nicht die Mühe, den sarkastischen Tonfall zu unterdrücken.
    » Entschuldige«, antwortete er steif. » Offenbar fällt es mir schwer, mich professionell zu verhalten, wenn ich mit dir rede.«
    Kurzzeitig herrschte betretenes Schweigen, während wir beide an das letzte Mal dachten, als er sich in meiner Gegenwart ausgesprochen unprofessionell verhalten hatte. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen.
    » Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, das nicht zu tun«, murmelte er, mehr zu sich selbst, » aber Tatsache ist, dass ich aus dir einfach nicht schlau werde. Ich weiß nicht, warum du humpelst oder woher du den blauen Fleck im Gesicht hast– habe ich heute Morgen schon gesehen, du musst das jetzt nicht mehr versuchen zu verbergen. Ich begreife nicht, wie das hier«, er deutete mit der Hand in den Raum, » dazu passt, dass du neulich abends in meiner Wohnung aufgetaucht bist.«
    Ich putzte mir die Nase und antwortete dann zunächst auf den zweiten Teil. » Das tut mir wirklich leid. Ich hätte das nicht tun sollen. Es war nur– ich hatte das Gefühl, mal etwas Unüberlegtes tun zu müssen, zur Abwechslung mal etwas spüren zu müssen. An diesem Abend habe ich mich gefühlt, als würde ich in Treibsand versinken. Und du warst jemand, an dem ich mich festhalten konnte.« Ich riskierte einen Blick zu ihm. » Ich dachte nicht, dass du etwas dagegen hast.«
    Er zuckte die Schultern. » Hatte ich auch nicht. Aber darum geht es gar nicht.«
    » Weiß du, was neulich passiert ist, das war wunderbar. Aber es hat nichts mit meinem Leben zu tun. Mein Leben besteht darin, Tag für Tag in die Schule zu fahren– in der Hoffnung, meine Arbeit dort einigermaßen gut zu machen. Abends komme ich heim und weiß vorher nie, was mich erwartet. An guten Tagen bleibe ich zu Hause und korrigiere Arbeiten, während Mum trinkt, bis sie umfällt. Und an schlechten Tagen– tja, da läuft es ungefähr genauso. Auch wenn es mir nicht unbedingt gefällt, so ist es eben. Nur vor ein paar Tagen hatte ich einen Moment lang das Bedürfnis, das alles für ein Weilchen hinter mir zu lassen, und war tatsächlich mutig und dumm genug, dem nachzugeben. Wahrscheinlich hätte ich lieber mit jemanden schlafen sollen, der nichts mit dem Fall zu tun hat, aber ich hatte…« Ich beendete meinen Satz nicht. In diesem kahlen, trostlosen Zimmerchen brachte ich die nächsten Worte einfach nicht über die Lippen.… Lust auf dich. Das war zu viel.
    » Wie schon gesagt, ich hatte nichts dagegen.« Blake hörte sich an, als ob er mit den Gedanken ganz woanders war.
    Ich lehnte mich zurück. » Lass mich einfach das tun, was ich für richtig halte.« Eigentlich meinte ich: Versuch nicht, mich zu verstehen. Du kriegst mich eh nicht wieder hin. Ich bin viel zu kaputt.
    Er dachte allerdings, ich rede von Geoff. » Aber du gehst da jetzt nicht wieder rein und spielst die leidende Jungfrau, oder?«, fragte er entrüstet. » Ich hätte wirklich etwas anderes von dir erwartet, Sarah. Du tust vor den Schwestern hier so, als sei das eine riesige Tragödie für dich und genießt in Wirklichkeit nur ihre Aufmerksamkeit.«
    » Das ist nicht wahr!«, rief ich empört. » Ich wollte doch nur…«
    » Du wolltest dir nur einen weiteren Grund suchen, um deinem eigenen Leben aus dem Weg zu gehen. Hast du vor, seine Chefpflegerin zu werden, wenn er wieder zu sich kommt? Willst du hinter ihm hertrippeln und ihm alle Entscheidungen in deinem Leben überlassen, so wie er es sich schon immer vorgestellt hat? Soll er deine Mutter dabei ablösen, dich herumzukommandieren?«
    » Ich treffe meine Entscheidungen selbst«, fauchte ich wütend zurück und sprang auf. » Vielleicht kannst du sie ja nicht verstehen, aber es sind immerhin meine eigenen.

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