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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Deckel unserer Tonne an und stopft meine Puppen hinein, mitten zwischen die alten Müllsäcke. Dann lässt sie den Deckel fallen und geht wieder ins Haus. Mit lautem Knall fällt die Haustür hinter ihr ins Schloss. Mir läuft die Nase, und ich muss mal, aber ich kann die Zimmertür nicht aufmachen. Dafür habe ich viel zu große Angst vor dem, was sie vielleicht tut, wenn sie mich im Flur erwischt und sieht, dass ich ihr wieder nicht gehorcht habe. Ich kann es nicht fassen, dass sie meine Puppen in den Müll geworfen hat. Ich kann nicht glauben, dass sie nicht noch einmal zu unserer Tonne geht und sie wieder rausholt, ehe die Müllmänner kommen. Aber tief in meinem Herzen weiß ich, dass sie für immer weg sind.
    Es ist schon spät, als ich aufwache, und im ersten Moment weiß ich nicht, warum mir der Hals wehtut. Auf dem Bettrand spüre ich ein Gewicht. Mein Vater sitzt da. Seine eine Hand liegt auf meinem Rücken und in die andere hat er sein Kinn gestützt.
    » Geht’s dir gut, mein Schatz?«
    Ich nicke, aber dann kommt mit einem Schlag die Erinnerung zurück. » Meine Puppen…«
    » Es tut mir furchtbar leid, Sarah. Die sind nicht mehr da.« Dad beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss auf die Wange. » Ich weiß, dass du dir nichts Böses dabei gedacht hast. Am Samstag gehen wir zusammen einkaufen, ja? Da kaufen wir dir neue Puppen. Viel schönere.«
    Ich will keine neuen Puppen. Die alten hatte ich viel lieber. Ich stelle mir vor, wie sie im Müllauto herumgeschleudert werden, schon ganz kaputt und zerfetzt, oder wie sie auf der Müllkippe im Schlamm liegen, die Haare voller Dreck.
    Dad sieht mich mit sorgenvollem Blick an, und ich setze mich auf, damit ich ihn umarmen kann. Ich tue so, als sei ich von der Idee mit den neuen Puppen begeistert. Ich lasse ihn glauben, dass er alles wieder in Ordnung gebracht hat und ich nicht mehr traurig bin. Er soll sich darüber freuen können, dass er mich wieder froh gemacht hat.
    Denn das wünscht er sich.

8
    Am nächsten Morgen musste ich mich auf dem Weg zur Bibliothek regelrecht dazu zwingen, mich nicht immer wieder umzuschauen. Ich hatte mich noch einmal krank gemeldet und hoffte nun inständig, dass mich niemand aus meiner Schule dabei ertappte, wie ich durch das Stadtzentrum von Elmview spazierte, augenscheinlich auch durchaus in der Lage, in einer leeren Schule herumzusitzen. Am Montag sollte der Unterricht wiederaufgenommen werden, hatte Janet wissen lassen. Was bedeutete, dass ich das Beste aus diesem Tag machen sollte. Früher oder später musste die Normalität zurückkehren, doch im Augenblick war an einen normalen Alltag nicht im Traum zu denken.
    Die Aufsteller, die vor den Zeitungsläden in Elmview für diverse Blätter warben, waren ein deutlicher Beweis dafür, dass die Situation derzeit in der Tat alles andere als normal war. Eine der Zeitungen titelte Die Jagd nach Jennys Mörder, eine andere schrieb Der geraubte Engel, beide mit dem inzwischen vertrauten Foto von Jenny darunter. Sie sah darauf wirklich engelsgleich aus, und offenbar hatte Vickers die Nachricht von ihrer Schwangerschaft bislang erfolgreich vor den Medien zurückgehalten. Derzeit deutete nichts darauf hin, dass das öffentliche Interesse an diesem Mordfall in absehbarer Zeit nachlassen würde. Nach den Reportertrupps zu urteilen, die überall in der Stadt unterwegs waren, war es nach wie vor eine ziemlich heiße Story. Aber es gab noch mehr, was mich frösteln ließ: die Aushänge der Polizei in den Schaufenstern, auf denen die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise gebeten wurde, und die vielen Blumen vor der Kirche, wo der Gedenkgottesdienst stattgefunden hatte. Die Menschen, die an mir vorübereilten, wirkten nervös und gehetzt, und es kam mir so vor, als unterhielten sich alle nur über ein einziges Thema.
    In der Stadt war es ruhig, aber das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Wer in Elmview wohnte, fuhr zum Einkaufen entweder nach Guildford oder nach Kingston. Im winzigen Stadtzentrum besorgte man nur Kleinigkeiten. Folgerichtig starb es allmählich aus. Die kleinen Geschäfte gingen eins nach dem anderen ein, und es kamen keine neuen nach. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der letzte Laden dicht war.
    Der Gemeinderat warf trotz allem die Flinte nicht ins Korn. Erst vor Kurzem war die Bibliothek gründlich aufgemöbelt worden. Der Geruch von frischer Farbe hing noch immer in der Luft und stach mir in die Nase. Vor mir stand eine lange Warteschlange.

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