Die Verraeterin
hinzu: »Ja, bitte. Danke.«
Innerlich tadelte er sich für sein ungeschicktes Gestammel. Was für eine Katastrophe.
Vorsichtig wischte sie das Blut mit einem weichen Handtuch von seiner Haut. Sie säuberte auch die weniger schlimmen Wunden mit Wattebäuschen, die sie vorher in Alkohol tränkte, wobei sie immer wieder mit ihren Fingern über seinen Körper strich. Schmerz und Sehnsucht schossen heiß durch ihn hindurch. Er fragte sich, ob sie wusste, was sie da tat, wenn sie ihn mit ihrem Duft und ihrer Nähe so durcheinanderbrachte, dass ihm war, als ob er zu viel getrunken hätte.
Auf einmal ließ ihn ein Gedanke erstarren. War das alles ein Trick? Benutzte Dominus seine Tochter, um …
»Ich muss die Wunde jetzt nähen«, murmelte sie. »Bitte halte dich so still, wie es irgendwie geht.«
Der Schmerz der Nadel war nichts im Vergleich mit dem Schmerz, halb nackt vor ihr zu liegen, verbotenen Gedanken nachzuhängen und sich zu fragen, ob sie ihn wohl gerade bewusst manipulierte. Ein leises Stöhnen kam ihm über die Lippen. Eliana erstarrte. Sie glaubte, es wären die Schmerzen, die ihn so reagieren ließen.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte er durch zusammengebissene Zähne. Dann nickte er, um sie seiner Stärke zu versichern. »Alles ist gut. Mach nur weiter.«
Das tat sie. Einen Moment lang herrschte Stille, die jedoch nichts Friedliches an sich hatte. Es gelang D, relativ regelmäßig zu atmen, was ihm allerdings erstaunlich schwerfiel und wozu er seinen gesamten Willen aufbringen musste.
»Wann hast du gelernt … Wann hast du das gelernt?«, fragte er.
Sie gab einen seltsamen Ton von sich, der ein wenig ironisch klang, aber zugleich so weiblich und verführerisch, dass D ein Schauer über den Rücken lief.
»Caesar wurde immer wieder in Kämpfe verwickelt, als er noch jünger war. Er hat nie gewonnen. Aber er wollte nicht, dass Dominus davon erfährt. Also war ich es, die sich um ihn kümmern musste. Ich habe schon früh gelernt, wie man Wunden so genau näht, dass keine Narben zurückbleiben.« In ihrer Stimme schwang Melancholie mit. »Ich lerne gerne etwas Neues. So vergeht die Zeit schneller.«
Er brauchte einen Moment, während er verarbeitete, was sie gesagt hatte. Seine Wertschätzung von Eliana stand in krassem Gegensatz zu seiner Verachtung für ihren Bruder, der zwar königlichen Geblüts, aber vollkommen unbegabt war. Außerdem war er jene Art von Feigling, der sich über andere lustig machte, um sich selbst besser zu fühlen. D fragte sich, wie es für Eliana sein musste, ihr Leben lang einem wertvollen, exotischen Vogel gleich in einem Käfig gehalten zu werden und hinter ihrem Bruder aufzukehren.
»Du nennst deinen Vater Dominus?«
»Nicht in seiner Gegenwart.«
D öffnete ein Auge, um Elianas Miene zu sehen. Ihre roséfarbenen Lippen verzogen sich zu einem kleinen, heimlichen Lächeln. Sie bemerkte, dass er sie beobachtete, und ihr Lächeln wurde breiter. »Niemand nennt ihn irgendetwas in seiner Gegenwart, nicht wahr?«
Seine Antwort bestand aus Schweigen.
Sie zuckte mit den Achseln – eine Bewegung, die sowohl gelassen als auch bedeutungsvoll war. »Ich weiß. Du kannst nicht offen mit mir sprechen. Niemand kann mit mir sprechen. Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich weiß, wie er ist.«
»Weißt du das wirklich?«, entgegnete er harsch, ehe er sich bremsen konnte. Im selben Moment, als die Frage über seine Lippen kam, verfluchte er sich innerlich. Elianas Lächeln verschwand.
»Ich … Nein, tue ich nicht«, erwiderte sie sehr leise. Ihre Antwort überraschte ihn. »Er ist mein Vater. Natürlich liebe ich ihn, aber …« Sie brach ab und biss sich auf die Unterlippe. »Aber während der letzten Jahre scheint er immer so … Er scheint …« Sie sah fragend zu ihm auf. Wieder überlegte er, ob ihr Verhalten ein Trick war, um ihn dazu zu verleiten, seine wahren Ansichten zu äußern.
»Für mich ist er so, wie er immer gewesen ist«, erklärte er kühl.
Elianas Miene wurde strenger. Sie zog eine der Nähte fest, woraufhin er überrascht die Luft anhielt. Es tat weh.
»Ich werde dir jetzt ein kleines Geheimnis anvertrauen, Demetrius«, sagte sie durch zusammengepresste Lippen. Sie sah ihn unter ihren Wimpern hervor an, während sie weiterhin mechanisch die Wunde zusammennähte. »Du kannst mir vertrauen. Ich kann dich natürlich nicht dazu bringen, mir zu glauben, aber …« Sie setzte sich etwas aufrechter hin. »Nein, warte. Doch, das kann ich!« Sie klang aufgeregt. »Wenn
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