Die Verraeterin
der Anmut einer Ballerina erinnerte sie an eine zarte Elfe. Die kurz geschnittenen schwarzen Haare, die bei jeder anderen Frau vermutlich maskulin gewirkt hätten, dienten bei ihr nur dazu, die makellose Symmetrie ihrer Gesichtszüge und diese mandelförmigen Augen noch vollkommener erscheinen zu lassen.
Nein. Er brauchte sie nicht anzusehen. Er sah sie auch vor seinem inneren Auge. Und hinter seinen geschlossenen Lidern tanzte sie.
Sie legte ihre Finger vorsichtig auf seine Haut, und ein heftiger Schmerz durchschoss ihn und ließ ihn zusammenzucken, als sie die tiefe Wunde auf seinem Oberarm erkundete. Sie seufzte sanft, und einen Moment lang spürte er ihren federleichten Atem, der ihm über seine nackte Brust wehte. Er hörte das Klappern der Räder, als sie einen kleinen Metalltisch heranrollte, auf dem einige medizinische Utensilien lagen.
»Normalerweise würde ich dich fragen, ob es wehtut. Aber ich weiß sowieso, was du mir antworten wirst.«
Sie klang unzufrieden. Er fragte sich einen Moment, warum, nur um sich dann zu ermahnen: Hör auf, dich irgendetwas zu fragen.
D atmete ein. Er atmete aus. Er atmete wieder ein. Sie tupfte mit einem in Alkohol getränkten Wattebausch die Ränder seiner Wunde ab, und er zuckte zusammen. Selbst diese geringe Berührung war bereits unerträglich schmerzhaft. Sie ließ ihn an Dinge denken, die er niemals haben konnte. Es war die reinste Qual .
Er schob ihre Hand beiseite. »Lass das«, sagte er harsch. »Das soll die Dienerin tun. Du solltest nicht einmal hier sein. Das ist kein Ort für dich.«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann seufzte Eliana. »Oh, Demetrius.«
Die stille Traurigkeit in ihrer Stimme überraschte ihn. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass sie ihn ansah. Die Stirn hatte sie leicht gerunzelt. Sie saß auf einem Hocker neben seinem Bett, und nach einer Weile senkte sie den Blick. Ihre Wimpern bildeten eine dunkle Linie auf ihren Wangen.
»Was habe ich getan, um dich derart zu beleidigen?«, flüsterte sie.
D hätte nicht überraschter sein können. »Mich beleidigen? Mich beleidigen ?«
Er wiederholte die Frage zweimal, weil er keine Ahnung hatte, was er sonst sagen sollte. Sie hatte niemals etwas getan, um ihn zu beleidigen. Ganz im Gegenteil – alles, was sie tat, hatte ihn bezaubert. Es hatte ihn in ihrem Bann geschlagen und ihn jede Nacht von ihr träumen lassen …
»Ich weiß, dass ich etwas getan haben muss, denn du bist immer so … so kalt. Aber ich habe keine Ahnung, was es sein könnte, denn ich wollte doch nur …« Sie blickte auf und richtete die Augen auf seinen Mund. Sein Magen verkrampfte sich. »Mein Vater hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern. Also muss ich das tun, aber … Aber wenn du möchtest, kann ich ihm auch sagen … Ich kann ihm sagen, dass es dir gut geht und du meine Hilfe nicht benötigst …«
D konnte nicht anders. Er beugte sich vor und ergriff ihr Handgelenk. »Ich will deine … Ich will dich … deine Hilfe«, verbesserte er sich stotternd, da er sich so sehr bemühte, die richtigen Worte zu finden. »Und du hast nichts getan, um mich zu beleidigen. Ich schwöre es. Bei meinem Leben.«
Sie atmete hörbar auf. Ihre Augen weiteten sich, und sie gab einen Laut der Überraschung von sich. Der Blick auf ihrem Gesicht spiegelte Verblüffung und Erkenntnis wider und verwandelte sich dann rasch in etwas anderes, das er bei jeder anderen Frau für Verlangen gehalten hätte. Doch das war unmöglich.
Sein Körper jedoch war nicht ganz so klug. Er kannte keinen Unterschied. Zwischen ihnen begann es zu knistern, und in seiner Lendengegend fing es an zu pulsieren.
Er ließ ihr Handgelenk los, als ob sie ihm die Haut verbrannt hätte – was sie ja auch tat. Dann legte er sich wieder auf das kühle Laken zurück und schloss die Augen. Das Schlimmste, was Elianas Vater hätte tun können, um ihn zu quälen, war genau das.
Die verbotene Frucht war immer die verführerischste.
Laut tickte die Uhr an der Wand, und er konnte hören, wie frische Luft durch die Klimaanlage der Katakomben gepumpt wurde. Lix und Constantine flirteten ausgiebig mit der Dienerin am anderen Ende des Zimmers. Dann hörte D wieder Elianas Stimme, leise und vorsichtig. »Ich … ich muss zuerst die Wunde reinigen, ehe ich sie versorgen kann. Es wird wehtun, aber ich werde versuchen, so sanft wie möglich zu sein. Einverstanden?«
Er nickte, denn er wollte nicht, dass sie ihn für kalt und unhöflich hielt. Dann fügte er noch
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