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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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gesagt, ziemlich auf die Nerven zu gehen.
    »Es ist zu gefährlich für Sie«, äffte sie Xander leise nach, während sie das geschäftige Trottoir entlanglief und sich nicht die Mühe machte, irgendjemandem aus dem Weg zu gehen. »Ha!«
    Zu gefährlich. Oh, tut mir leid, Sie haben recht! In einer solchen Art von Gefahr bin ich noch nie gewesen. Man hat mich noch nie des Hochverrats beschuldigt, wochenlang eingesperrt und mir einen grausamen Tod in Aussicht gestellt. Ich habe noch nie zuvor ein Rudel wilder Pantherjungs abgewehrt oder mich mit arroganten Machos herumgeschlagen, die alle meinen Platz im Rat einnehmen wollten. Und ich habe auch noch nie ein Hotelzimmer mit einem Killer geteilt!
    Sie fuhr sich mit einer Hand durch die langen Haare und fluchte laut, was sofort zu tadelnden Blicken von mehreren Nonnen führte, die auf dem Bürgersteig standen und vor einer kleinen Kaffeebar Espresso tranken.
    »Kannst mich mal, Schwester«, sagte Morgan und stolzierte an ihr vorbei.
    Wohin war sie eigentlich unterwegs? Sie hielt einen Moment lang inne, um sich umzusehen und zu orientieren.
    Mit dem Taxi hatten sie sich nur einige Straßen vom Hotel entfernt. Das wusste sie. Doch sie besaß weder eine Karte, noch sprach sie Italienisch. Sie hatte Geld, konnte also ein anderes Taxi anhalten. Doch als sie die Hand an die Stirn hielt, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, entdeckte sie, unverkennbar und riesig, die Kuppel von St. Peter, die sich etwa einen Kilometer entfernt auf der anderen Seite des langsam dahinplätschernden Tibers befand.
    Sie beschloss, zu Fuß zu gehen.
    Es war ein herrlicher Tag, hell und sonnig. Jeder Vogel in der Stadt schien auf einem Ast der zahlreichen Bäume zu sitzen und süße Melodien zu zwitschern, während Morgan über eine geschwungene Steinbrücke lief, um den Fluss zu überqueren. Sie schlenderte einen von Bäumen gesäumten Boulevard entlang, wobei sie immer wieder Fußgängern und vor allem verrückten Vespa-Fahrern ausweichen musste, die allesamt von einem starken Todeswunsch beseelt zu sein schienen.
    Sie kam an Brunnen, verfallenen Häusern und einem antiken, heruntergekommenen Kastell vorbei, das zum Mausoleum Kaiser Hadrians umgewandelt worden war und auf dem sich nun ein riesiger Bronzeengel mit einem Schwert befand. Die Stadt war ein einziges Fest aus Kunst und Architektur, wobei alles wie zufällig arrangiert zu sein schien, für jedermann zugänglich, zu jedermanns Freude. Ihr gefiel die Vitalität Roms, die offenen, begrünten Plätze, die alten Gebäude und die magische Atmosphäre, die alles durchdrang – selbst die Luft.
    Und die italienischen Männer, dachte sie und betrachtete ein besonders atemberaubendes Exemplar, das gerade lässig an einem Baum lehnte, sind auch ziemlich magisch . Sie kleideten sich gut. Sie bewegten sich anmutig. Sie waren groß, dunkel und elegant – ihrer eigenen Spezies nicht unähnlich. Selbst die Schwerfälligen mit Bauchansatz und angehender Glatze besaßen noch immer ein gewisses Je ne sais quoi .
    Der dunkelhaarige junge Mann, der am Baum lehnte, hob den Kopf. Er bemerkte Morgans Blick und stieß einen leisen, heiseren Pfiff aus. Seine Augen funkelten. Sie schaute weg und ging weiter, wobei sie sich bemühte, nicht an diese anderen funkelnden, schwarz umrandeten Augen zu denken, die mit ihrer Bernsteinfarbe so endlos tief wirkten.
    Xander beobachtete, wie Morgan an der ewig langen Schlange aus Hunderten von Touristen vorbeilief, die darauf warteten, den Vatikan zu betreten. Sie wurde von einem uniformierten Beamten herangewunken, der am Eingang den Metalldetektor bediente, und berührte seinen Arm.
    Der Mann, der auf einmal ein verträumtes, abwesendes Lächeln zeigte, nahm sie an der Hand und führte sie durch einen privaten Seiteneingang. Xander rollte mit den Augen und schnaubte empört.
    Sie kannte wirklich keine Scham.
    Aber auch er hatte nicht vor, sich anzustellen, vor allem nicht bei diesem Metalldetektor, wegen der Messer, die in seinen Stiefeln und seinem Gürtel verborgen waren. Also schlenderte er unauffällig so lange durch die Gegend, bis er eine relativ leere Stelle fand – was nicht einfach war –, wo er sich mit dem Rücken an eine dicke Mauer aus Granit drückte. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Sein Bewusstsein begann sich auszubreiten und nach der Wärme und Bewegung zu suchen, die auf eine Anwesenheit von Leuten auf der anderen Seite hindeuten würden. Doch da war nichts. Er holte tief Luft und schob

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