Die Verraeterin
verschränkte die Arme über der Brust und stand wie versteinert da, während er die roten Geranien vor sich wutentbrannt ansah.
»Und ich möchte, dass Sie wissen, dass mir das alles leidtut.«
Diese Bemerkung erwischte ihn eiskalt. Schockiert blickte er zu ihr hinüber.
»Ihnen tut etwas leid? Was tut Ihnen denn leid?«
Sie lächelte, und er glaubte, noch nie im Leben etwas so Trauriges gesehen zu haben.
»Wir. Wir beide tun mir leid. Wegen der ganzen Situation. Wegen dem, was wir in einem anderen Leben hätten sein können … Und ich mache Ihnen keinen Vorwurf.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nur Ihr …«
Morgan brach ab. Sie sah auf die Stadt hinunter, die sich rosé- und bernsteinfarben im Licht des Morgens vor ihnen ausbreitete. »Ich weiß, dass es nur Ihr Job ist.«
Er wusste nicht, was er von dem Ganzen halten sollte. Falls es ihre Absicht gewesen war, ihn zu entwaffnen, dann hätte sie keinen besseren Plan haben können.
Ich weiß, dass es nur Ihr Job ist. Sie vergab ihm dafür, dass er sie töten würde. Sie erteilte ihm Absolution.
»Wir werden sie finden«, erwiderte er mit rauer Stimme, wobei er nicht so recht daran glauben konnte.
»Vielleicht«, stimmte sie ihm leise zu. »Aber falls wir es nicht tun, muss ich wissen, wie Sie es tun werden. Ich muss es wissen. Ich kann so nicht weitermachen. Ich will mir nicht ständig überlegen, was Sie alles …«
Mit einer vagen Geste zeigte sie in die Gegend, und diese Geste war so hilflos, so ohne Hoffnung und so hinreißend, dass er vor Verzweiflung und Wut am liebsten aufgeschrien hätte.
Aber er tat es nicht. Stattdessen streckte er die Hand aus und legte zwei Finger sanft auf die Stelle ihres Halses zwischen Atlas und Axis, den ersten beiden Halswirbeln, direkt unter dem Schädel.
Ihre Haut fühlte sich warm und sehr weich an. Ihre Haare hingegen waren kühl, schwer und seidig, wie sie über seinen Handrücken strichen, als ob sie diesen in Wasser getaucht hätte. Sie schloss die Augen und senkte den Kopf. Ganz gleich, wie sehr er sich innerlich darum bemühte, seine Hand wieder wegzuziehen, war er nicht dazu in der Lage.
»Ein Messer?«, flüsterte sie.
Er nickte wortlos.
»Wird es wehtun?«
»Nein«, erwiderte er, wobei seine Stimme plötzlich heiser klang.
Sie holte tief Luft und schien sich zu sammeln. Dann hob sie den Kopf, und er zog seine Hand zurück. Auf einmal nicht mehr ihre heiße Haut zu spüren fühlte sich seltsam kalt und verloren an.
»Also gut.«
Morgan sah ihn ohne Angst oder Vorwurf an. Ihre Augen schimmerten höchst lebendig und fast glaubte er, darin Erleichterung zu erkennen. Sie atmete aus und lächelte. Der Wandel in ihr war so unerwartet und tiefgreifend, als ob man sie von unsichtbaren Fesseln befreit hätte.
»Sollen wir zu Ende frühstücken?« Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zum Tisch zurück.
Xander blieb wieder einmal fassungslos und stumm zurück.
13
»Zum Vatikan? « Morgan wandte sich schockiert zu Xander um.
Er gab dem Taxifahrer auf Italienisch Anweisungen, wohin sie fahren sollten, und nickte dann kurz. Es war für ihn sehr anstrengend, nicht dauernd auf Morgans Rock zu starren, der bis über ihre Knie hochgerutscht war und zwei lange, gebräunte Beine enthüllte.
Grundgütiger, dachte er und biss die Zähne zusammen. Das ist alles eine Riesenkatastrophe. Er lehnte sich auf dem harten Sitz zurück und starrte aus dem Fenster.
Sie hatten ihr Frühstück rasch beendet, und dann war Morgan unter die Dusche gegangen und hatte sich angezogen. Xander wollte früh los, um dort weitermachen zu können, wo er in der Nacht zuvor aufgehört hatte, und sie bestand darauf, ihn zu begleiten. Vier Augen sind besser als zwei, hatte sie erklärt. Doch mit der ständigen Präsenz ihres Dufts in seiner Nase und dem Anblick dieses Körpers in einem schlichten, schwarzen Rock, einer taillierten, roten Bluse und einem Paar dieser hochhackigen Schuhe, die sie so gerne trug, konnte er nicht behaupten, dass er sonderlich konzentriert war.
Außerdem musste er dringend ein wenig Schlaf nachholen.
»Aber … Aber … Wie kann das sein?«, fragte sie jetzt und beugte sich zu ihm.
Zufälligerweise bemerkte Xander, wie der Taxifahrer durch den Rückspiegel einen gierigen Blick auf Morgans Dekolleté warf. Unter dem obersten Knopf ihrer roten Bluse, der offen stand, zeigte sich der milichig-weiße Ansatz ihrer perfekt geformten Brüste. Xander fletschte die Zähne, und die Augen des Mannes schossen
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