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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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»Wie ist es euch ergangen?«
    »Gut, Majestät.«
    Celian senkte den Kopf. Die anderen stellten sich neben ihn, folgten seinem Beispiel, blieben aber stumm.
    »Gut?«, wiederholte Dominus fragend. Jeder der Soldaten spürte einen Moment lang den scharfen Blick des Königs auf seinem Gesicht. »Tatsächlich?«
    Celian hob den Kopf und sah seinen Herrn und Meister an. »Uns vieren geht es gut, Majestät«, erklärte er. »Doch was Aurelio und Lucien betrifft, kann ich diese Frage nicht beantworten. Sie sind nicht zu dem vereinbarten Treffpunkt gekommen.«
    Die Kerzen im ganzen Raum flackerten auf einmal, und es war eine kalte Brise zu spüren. Celian merkte, wie sich seine Brüder neben ihm anspannten, und bemühte sich, selbst so locker wie möglich zu bleiben und ruhig weiterzuatmen. Der König genoss es, wenn andere Angst hatten, und spürte diese Angst wie eine Schlange, die eine Maus in der Nähe fühlt. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er angenommen, dass die Zunge des Königs gespalten war.
    »Der vereinbarte Treffpunkt«, wiederholte der König ironisch und lehnte sich auf seinem Thron zurück, wobei er ein Bein lässig über das andere schlug. »Das bedeutet, dass ihr euch aufgeteilt habt.«
    »Der Mann floh durch die Mauer im Vatikan, Majestät …«
    »Durch die Mauer?«, hakte Dominus sogleich nach. Er beugte sich vor und musterte seinen Soldaten mit harten, glasigen Augen. »Soll das heißen, er hat sich aufgelöst, wie wir das tun?«
    Celian holte tief Luft und überlegte. Wie sollte er das erklären? »Ich meine, er ist durch die Wand hindurchgegangen. Er ist in sie … mit ihr … verschmolzen. Er wird auch durch Kugeln nicht verletzt.«
    Die schwarzen Augen des Königs blinzelten kein einziges Mal. Aber sie brannten. Mein Gott, sie brannten.
    »Ja, das habe ich auch festgestellt. Sehr interessant. Und recht unpraktisch.« Er hielt für einen Moment nachdenklich inne und fügte dann leise hinzu: »Und die Frau?«
    Celian hatte sich vor dieser Frage gefürchtet. Der König war unmissverständlich gewesen, als er sein Verlangen nach dieser Frau kundgetan hatte.
    »Er hat sie mit sich durch die Mauer genommen.«
    Die Nasenflügel des Königs bebten. Das war alles. Er hatte noch immer nicht geblinzelt.
    »Wir stellten den Mann draußen vor der Kirche, aber die Frau war verschwunden. Aurelio und Lucien folgten ihr, während wir versuchten, den Mann in die entgegengesetzte Richtung zu locken, aber er kam nicht hinter uns her. Also drehten wir um, verloren aber seine Spur. Und Aurelio und Lucien sind nicht zur vereinbarten Zeit gekommen.«
    Celian wusste, dass die Temperatur im Raum tatsächlich um mehrere Grad kälter geworden war und dieser Eindruck nicht seiner Fantasie entsprang. Lix, der neben ihm stand, verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
    »Unangenehm«, sagte der König mit einer Stimme so schneidend wie eine Messerklinge. »Sehr unangenehm. Vor allem, da meine Anweisungen eindeutig gewesen sind.«
    Eine eisige Brise wehte um ihre Schultern, als der erste stechende Schmerz durch ihre Schädel schoss. Nur Celian blieb ruhig stehen, da er die schreckliche Gabe des Königs schon viele Male zuvor hatte erleiden müssen. Ihr Herrscher und Meister drang nicht nur in das Bewusstsein anderer Leute ein, sondern er breitete sich dort aus, und wenn er es wollte, so breitete sich auch sein Zorn in ihnen aus.
    In diesem Fall fühlte sich die Wut des Königs wie eine Viper an, die durch seinen Kopf glitt und mit ihren Reißzähnen Gift in sein Gehirn sprühte.
    Die anderen begannen unruhig zu werden. D ließ seine Schultern kreisen, sodass man seine Knochen knacken hörte. Lix verlagerte erneut sein Gewicht, und Constantine ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder.
    » Faciles «, murmelte Celian. »Immer mit der Ruhe, Jungs. Ruhig.«
    Eine Katze, eine von Hunderten, die in den Katakomben lebten, tauchte hinter dem Thron auf, wo sie auf dem Steinboden geschlafen hatte. Mit ihrem schwarzen Fell und ihrer geschmeidigen Gestalt war sie eine perfekte Miniatur ihrer Kaste in Tierform. Nur ihre Augen waren anders. Sie schimmerten im Kerzenlicht des Raums gelb und geheimnisvoll. Die Bellatorum – geboren in Dunkelheit, erzogen in Dunkelheit, ausgebildet, um in Dunkelheit zu kämpfen und zu töten – hatten alle schwarze Augen. Die Katze rieb ihren Kopf an einem Fuß des Throns und sprang dann anmutig auf den Schoß des Königs.
    Er begann, sie hinter den Ohren zu kraulen.

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