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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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rauen Decke über ihnen zu bewundern. Keiner achtete auf die leeren Einbuchtungen in den Wänden, in denen sich vor Jahrhunderten Tote befunden hatten, die man hier in Sackleinen gewickelt zur letzten Ruhe gebettet hatte. Man hörte nur den leisen Widerhall ihrer Stiefel auf dem staubigen Tuffstein, sonst war es so still wie in einer Krypta. Und genauso fröhlich.
    »Es gibt über vierzig Katakomben unter Rom, und wir müssen in denen landen, die nach Käsefüßen stinken«, murmelte Lix, der als Letzter dahinmarschierte.
    »Das hier sind die größten Katakomben, Felix«, meinte Constantine, wohl wissend, dass Lix es hasste, mit vollem Namen angesprochen zu werden. Er hoffte, so einen weiteren Monolog über den Geruch der verschiedenen Katakomben, in denen die Bellatorum und die Soldatenkaste der Legiones lebten und trainierten, zu unterdrücken. Die Optimates , die Electi und die Servorum – der Adel, die auserwählten Frauen des königlichen Harems und die Bediensteten – lebten in Katakomben in der Nähe, die man durch eine Reihe von Verbindungstunnel erreichte, die sie selbst gegraben hatten. All diese Krypten waren seit Jahrhunderten verlassen und viele von den Menschen bis jetzt nicht entdeckt worden. »Und dafür kannst du Horus danken, denn nur hier kann ich so weit wie möglich von dir weggehen, um nicht dein ständiges Gejammer hören zu müssen. Du bist wie ein altes Weib.«
    »Pass auf, was du sagst, Schönheitskönigin«, gab Lix zurück. Offensichtlich biss er an. »Oder ich werde deine Schuhsammlung in Brand setzen. Wie viele sind es denn inzwischen? Zehntausend Paare? Und sind diese ganzen Pflegespülungen wirklich notwendig? Du könntest deinen eigenen Friseursalon aufmachen.«
    Constantine schnaubte verächtlich und warf seine Haare zurück, die in seidig langen Wellen über seine Schultern fielen. Er galt allgemein als der schönste Mann des Königreichs. Manche hielten ihn sogar für noch schöner als die principessa Eliana. Die Frauen drängten sich um ihn, was er häufig zu seinem Vorteil zu nutzen verstand. Aber ihn zeichnete auch eine ungebrochene Treue zu seinen Brüdern aus, und er war stets der Erste, der sich in eine Schlacht warf, um die anderen zu verteidigen. Das war auch sein Glück, denn sonst hätten sie ihn aus Neid und Eifersucht gehasst.
    »Ich nehme wenigstens hier und da ein Bad«, meinte Constantine und zog rümpfend die Nase hoch, während er in Lix’ Richtung schnüffelte.
    »Du dafür riechst wie ein verdammtes Rosenbeet! Ist das etwa Parfüm ?«
    »Haltet endlich die Klappe, ihr Weiber«, knurrte Celian über seine Schulter hinweg. »Es sei denn, einer von euch möchte dem König die Situation erklären.«
    Das brachte sie zum Schweigen. Niemand wollte Dominus schlechte Nachrichten überbringen müssen. Es bestand nämlich nur eine fünfzigprozentige Chance, dass man danach noch seine Zunge im Mund behalten durfte.
    Sie liefen noch einige Minuten länger durch das still daliegende, unterirdische Labyrinth, bis sie schließlich ihr Ziel erreichten.
    Der Korridor endete in einem großen, hohen Raum, der wie der Hof einer gotischen Burg aussah. Nirgendwo gab es Fenster, doch überall befanden sich ägyptische Statuen, Porträts von Vorfahren und Kerzen in schmiedeeisernen Ständern, deren Wachs auf den Steinboden tropfte. Die Möbel waren aus schwerem Holz, hier und da lagen orientalische Teppiche, und ein langer Tisch war zu sehen, an dem dreißig Holzstühle mit hohen geschnitzten Lehnen standen. An einer Wand waren rote Samtsofas, während zwei schimmernde Ritterrüstungen eine gewaltige Glasvitrine mit antiken Waffen einrahmten.
    In der Mitte des Raums befand sich ein reich verzierter Thron aus dunklem Holz mit Löwenpranken als Füßen und blutroten Kissen. Die massive Rückenlehne lief nach oben hin spitz zusammen, und auf dem höchsten Punkt hatte man auf einem Speer einen grinsenden menschlichen Schädel aufgespießt.
    Auf dem Thron saß ein Mann. Er war groß und geschmeidig und trug wie immer einen schneeweißen Anzug, der seine bronzefarbene Haut noch goldener wirken ließ. Um seinen Hals hing an einer Kette ein großer Talisman: das Auge des Horus, Symbol des ägyptischen Kriegs- und Rachegottes. Dominus hielt sich für die Wiedergeburt von Horus, und alle seine Soldaten bekamen das Symbol auf ihre linke Schulter eingebrannt, wenn sie den Bellatorum beitraten.
    »Meine Herren«, sagte der König. Seine dunkle Stimme war trotz der Entfernung gut zu vernehmen.

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