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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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Yellow Mountain zu bleiben. Er würde bald gehen. Vielleicht schon morgen.
    Hoffentlich morgen.
    Ah, da war Frank, der schneller lief, als es einem dreiundneunzigjährigen Mann eigentlich zustand. Er war immer zu den Geschichten-Abenden mitgekommen, aber saß selten länger als fünfzehn Minuten am Stück still. Es gab zu viele andere Dinge zu tun, sagte er – die Fackeln anzünden, wenn es dunkel wurde, das Schwein zu rösten und aufzuräumen, das Feuer am Laufen zu halten, und so weiter. Und er war einer der wenigen – wahrscheinlich die einzige Person –, der nicht unwohl dabei war, Yellow Mountains Schutzmauern hinter sich zu lassen, wenn es bereits dunkel war. Zum Teufel , sagte er da immer, wenn ich mit Abtreten dran bin, bin ich gottverdammt nochmal dran .
    „Frank“, sagte sie, als sie auf ihn zuging. „Hast du irgendetwas zu trinken?“
    Er hielt in seinem energischen Schritt inne. „Scheißt ein Hund auf die verdammte Wiese?“, sagte er kurz angebunden. „Klar habe ich noch Bier.“ Er betrachtete sie mit seinen scharfen Augen, die auch in dem abklingenden Licht noch deutlich funkelten. „Du siehst aus, als könntest du eins gebrauchen.“ Er ging wieder los, drehte sich dann um und sagte, „Kommst du jetzt mit? Ich hab’ nicht die ganze verdammte Nacht Zeit. Muss diese Fackeln hier alle angezündet bekommen, damit niemand stolpert und sich ein gottverdammtes Bein bricht. Die Leute hier denken einfach nicht mit, überlassen mir jede verdammte Kleinigkeit.“
    Während Selena ihm folgte, unterdrückte sie ein Lächeln. Als sie das tat, warf sie einen Blick dorthin zurück, wo sie Theo hatte stehen lassen. Er war immer noch da, schaute ihr nicht nach, Gott sei Dank. Aber das war, weil Jen da war, sehr nah da stand, genau neben ihm und hoch in sein Gesicht schaute.
    Als Jen die Hand hob, um seine Wange zu berühren, und Theo seinen Kopf zu ihrem hinabsenkte, drehte Selena sich weg.
    Nun, Gott sei Dank, das wäre also geklärt. Die beiden geben ein viel besseres Bild ab als wir beide.
    Und dieses kleine Aufmucken von Eifersucht, das sich in ihre Eingeweide einfraß? Nun, das würde sie schlicht ignorieren müssen.
    Genau da erfüllte ein lauter Schrei die Luft. Voller Panik und Schock durchschnitt die Stimme einer Frau das einlullende Geräusch des Geschichtenerzählens. „Sie ist verschwunden! Ich kann sie nirgends finden!“
    Ein leises Prickeln lief Selena an den Schultern entlang und sie hörte das dumpfe Poltern der Antworten von den anderen in Bruchstücken: „Bist du sicher?“ „Vielleicht ist sie im Hof.“ „Oder in der Scheune.“ „Vielleicht ist sie eingeschlafen.“
    „Nein, nein, ich habe überall nachgesehen!“ Die Unruhe in Myra Tendys Stimme wurde panisch. „Sie hat heute was vom Fluss erzählt. Sie wollte schwimmen gehen.“
    Das Prickeln an ihrem Rücken hinab wurde stärker und Selena blickte wie automatisch zu den schützenden Mauern. Ihre Finger berührten den daumengroßen Kristall, der tief unten an seiner Kordel unter der Tunika hing. Wenn das kleine Tendy Mädchen ... wie war nochmal ihr Name? Hannah? ... sich irgendwie nach draußen, jenseits der Mauern geschlichen hatte, würde das hier wirklich noch schlimm werden. Mit hämmerndem Herzen und feuchten Handflächen ging Selena näher an die Nordseite des Walls. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass die Menschenmenge sich aufgelöst hatte und dass einzelne Menschen anfingen Suchtrupps zusammenzustellen. Vielleicht waren die Zombies heute Nacht noch nicht unterwegs, waren noch nicht nahe genug herangekommen, um das kleine Mädchen zu sehen oder zu riechen. Vielleicht musste sie das dann nicht auf sich nehmen.
    Vielleicht hatte sie dieses eine Mal Glück.
    Bis jetzt hatte Selena noch keinen Laut des kehligen Gestöhns vernommen, ihre verzweifelten Rufe nach ruuuu-uuthhh oder arreeyyyy-aaaane .
    Sie starrte angestrengt durch die Glasscheibe eines alten Trucks durch, den man als einen Riesenziegel in dem Schutzwall verwendet hatte. Das Glas war schmutzig und ganz verkrustet mit Dreck, aber Selena kratzte alles weg und schaute in die trübe Nacht jenseits der Siedlung hinaus.
    Die orangenen, glühenden Augen der Zombies waren hell genug, sodass sie in der Lage wäre, sie zu erkennen, selbst durch diesen ganzen Schmutz hindurch, falls sie da draußen wären. Der Fluss lag auf der südlichen Seite – die genau entgegengesetzte Seite von da, wo sie jetzt war. Aber Selena wusste, dass die Ganga aus dem Nordwesten kommen

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