Die verratene Nacht
würden. Von dort, wo der Ozean lag.
Die ganze Zeit über hörte sie hinter sich das Geschrei, die ruhigen Stimmen der Organisatoren, die hysterische Stimme von Myra Tendy, die man beruhigte.
Und sie hoffte, dass sie heute Nacht nicht da raus gehen musste – riskieren musste, dass man ihr Geheimnis entdeckte.
Das bildete den zentralen Kern ihres Lebens: der Hass und die Abscheu für die fleischfressenden, alles verstümmelnden Zombies, und als Gegengewicht in der Waagschale das Wissen, dass jeder einzelne von diesen, der durch Gewalt zu Tode kam, ohne ihre Hilfe niemals wahrhaft frei sein würde.
„Hey.“
Die Stimme direkt hinter ihr machte, dass Selena herumwirbelte. Es war Theo.
Super. Genau was sie jetzt brauchte.
Und dennoch machte ihr Herz bei seinem Anblick einen kleinen Hüpfer. Er stand nur da, die Fingerspitzen der einen Hand in eine Vordertasche seiner Jeans gesteckt, aber mit einem angespannten Gesichtsausdruck. Sein nachtschwarzes Haar leuchtete in dem Licht hier, als ob es nass wäre, und seine hohen, eleganten Wangenknochen zogen das etwas launische Licht wie ein Magnet an.
„Du bist nicht etwa gerade dabei dort durch das Autofenster hinauszuschleichen?“, fragte er mit einer merkwürdigen, tonlosen Stimme. Es sah genau so peinlich berührt aus, wie sie sich fühlte.
Und schon geht es mit den Peinlichkeiten los. „Nein“, sagte sie. Zumindest jetzt noch nicht.
„Gut“, sagte er. „Denn nach letzter Nacht wäre es ziemlich dumm, das zu tun. Da alleine rauszugehen. Und du bist keine dumme Frau.“
Wollen wir drauf wetten? Selena zwang die Worte runter, bevor sie ihr aus dem Mund kamen. Sie hatte für heute genug gesagt.
„Ich weiß nicht, für wen du dich hältst – irgendeine Art von Buffy, Eowyn oder sonstigen Blödsinn –, aber da kannst du nicht alleine rausgehen.“ Seine Augen glitten ganz offensichtlich über sie hinweg, von der Scheitelspitze bis zu den Füßen.
Irgendwie störte sie der Vergleich mit Eowyn nicht. Die Frau war der Wahnsinn und sie hatte nicht einmal übersinnliche Kräfte. Ein bisschen wie Selena selbst. „Da kann ich nur lachen“, antwortete sie. „Ein kleiner Junge wie du, der mir sagt, wo’s langgeht.“
Sein Kiefer bewegte sich und Schatten wanderten im Licht von Franks Fackeln über sein Gesicht. „Ich bin nicht so jung, wie du denkst“, sagte er. Seine Stimme war immer noch tonlos und ruhig.
Selena unterdrückte ein Schnauben. „Du siehst keinen Tag älter als dreißig aus“, sagte sie. „Und du bist nicht mein Vater.“
„Verdammt richtig“, sagte er. Ihr Magen überschlug sich und ihr Mund wurde ganz trocken.
Bevor sie etwas erwidern konnte, hörte sie es. Leise, weit entfernt, aber unverwechselbar: ruuu-uuuthhh .
Verdammt.
Ihre Hände wurden klamm und ihre Finger ganz kalt. Selena drehte sich von der Schutzmauer weg. Wenn sie eine Chance haben wollte die Zombies rechtzeitig abzufangen, musste sie es jetzt tun. Schnell, bevor der Rest von dem Suchtrupp auf die andere Seite der Schutzmauer gelangte, mit ihren Stöcken und Flaschenbomben und all den anderen Waffen. Ich muss los.
„Jennifer sucht nach dir“, sagte sie. „Dort drüben.“ Sie zeigte in Richtung Osten, über Theos Schulter hinweg und weit dahinter, in Richtung der dort herumschwirrenden Grüppchen von Leuten, und als er automatisch dahin schaute, rannte sie weg. Verschwand in den Schatten.
„Selena!“, rief er und sie blickte zurück, um zu sehen, wie er die Wand aus Autos und Garagentüren und alten Dächern anschaute, als ob sie irgendwie einen Weg gefunden hätte, dort hinein zu gleiten.
Gut. Er sollte ruhig ein Weilchen nach ihr suchen, während sie nach einem anderen Weg nach draußen suchte.
Bis Selena einen der kleineren Eingänge gefunden hatte, hatten die ersten Suchtrupps bereits den Schutz der Mauern hinter sich gelassen. Ihr Kristall an seinem langen Lederriemen hatte noch nicht angefangen zu glühen, aber seine Temperatur begann bereits zu steigen. Sie spürte diese Wärme in der kleinen Kuhle an ihrem Brustbein. Nicht gerade ein beruhigendes Gefühl, aber ein vertrautes – trotz allem. Ein kurzer Blick nach unten bestätigte ihr, dass er noch nicht brannte. Gott sei Dank.
Das Stöhnen der Zombies war lauter geworden und indem sie angestrengt lauschte, sah Selena sich darin bestätigt, dass sie exakt aus nördlicher Richtung kamen. Glücklicherweise befand sich das auf der entgegengesetzten Seite von Yellow Mountain, genau entgegengesetzt von
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