Die verratene Nacht
dichtem Haar, weil er sich auch etwas nach vorne beugen musste. Sie war stinksauer, aber sie würde drüber wegkommen, wenn er sie daran erinnerte, wie gefährlich es für sie gewesen war, alleine hier draußen zu sein. Aber – Teufel noch mal – wie verdammt verrückt-mutig das war: für sie, das zu tun ... blöd, aber mutig.
Eigentlich wie er selbst auch.
Die Mauer der Siedlung und ihr Hauteingang tauchten groß vor ihnen auf und er merkte, wie sich die Tore langsam weit öffneten, um sie herein zu lassen.
Selena glitt runter auf den Boden, sofort nachdem er den Mustang zum Schritt verlangsamt hatte, und noch bevor er abgestiegen war, war sie schon wieder verschwunden. Theo konnte ihr nicht gleich folgen, denn ihre Ankunft hatte eine Menschenmenge um sie herum zusammenlaufen lassen – darunter auch Jen.
„Du warst fantastisch“, sagte sie, als sie zu ihm hinrannte, ihre Hand klammerte sich schon an seinen Arm, als er noch vom Pferd glitt. „Ich hab’ dich da draußen gesehen, ich habe über die Mauer zugeschaut. Total Giga.“
Ein ihm unbekanntes Aufflackern von Ungeduld durchfuhr ihn da, aber er widerstand dem Drang, ihre festgeklammerte Hand zu lösen. Stattdessen schaute er Patrick Dilecki an, der die Suchtrupps koordiniert hatte und als Kontaktpunkt in der Siedlung geblieben war. „Ihr habt das Mädchen gefunden?“
„Ja, sie ist in Sicherheit. Sie ist unter ihrem Bett eingeschlafen.“ Er klang grimmig und müde, als er eine Hand an den Hals des Pferdes legte. Der Mustang gehörte Dilecki und er war es gewesen, der ihn Theo angeboten hatte, als der erklärt hatte, dass Selena alleine dort raus gegangen war.
Theo war sich nicht sicher, ob er erleichtert oder verärgert war. Er nahm an, dass Hannahs Mutter sich genau gleich fühlte, also entschied er sich dafür, lediglich erleichtert zu sein. Aber der Drang, da wieder rauszugehen, jene Zombies dort zu vernichten, bevor sie jemand anderem wehtun konnten, saß ihm noch wie ein Stachel im Fleisch. Diesmal hatten sie Glück gehabt, aber bei vielen anderen Gelegenheiten war er Zeuge gewesen, wo der Ausgang der Sache nicht so glimpflich ausgesehen hatte.
Sein Adrenalinspiegel war immer noch ganz oben. Und die Erinnerungen an all die Gemetzel, die er im Laufe der Jahre gesehen hatte, entfachte in ihm den Wunsch, wieder nach draußen zu gehen und den Job zu Ende zu bringen, den er begonnen hatte. Diese verdammten, schwachköpfigen Zombies, die nur auf ihre nächste Gelegenheit warteten.
„Was hattest du da vor?“, fragte Jen. „Mit der Fackel?“
Ihre Augen leuchteten, als sie zu ihm hochschaute, und wieder einmal fiel Theo da auf, wie jung sie war ... und wie sie Selena so gar nicht erwähnt hatte.
Was ihn drauf brachte. Er musste mit dem verrückten Weibsstück ein Wörtchen reden oder zwei. Was zum Teufel dachte sie denn, was sie da veranstaltete, da ganz alleine rauszugehen, ohne Schutz, ohne Waffen, bis auf diesen Anhänger um den Hals, den sie versteckte?
„Ich wollte die nach ihnen werfen“, sagte er Jen geistesabwesend, während er die Schatten mit den Augen absuchte. Selena musste doch irgendwo hier stecken; sie würde doch nicht noch einmal da rausschleichen ... oder etwa doch?
„Die Fackel?“, fragte sie.
Da er von ihrer gierigen Hand in das Hier und Jetzt zurückgezerrt wurde, schaute Theo zu Jen runter. „Ja“, sagte er und versuchte die Ungeduld aus seiner Stimme rauszuhalten. „Ich wollte die Fackel nach ihnen werfen. Sie haben Angst vor Feuer.“
„Wohin gehst du denn?“, fragte sie mit einem etwas schmollenden Unterton.
Es war die gleiche Art von Schmollen, die ihn gerade vorhin dazu gebracht hatte, ihr endlich nachzugeben und sie zu küssen, direkt nach dem Intermezzo – jenem Kuss – mit Selena. Weil er immer noch verärgert darüber gewesen war, dass sie ihn in jenem herablassenden Ton einen Jungspund genannt hatte. Da hatte er Selena – als die Frau obendrein noch davonspazierte, als ob der Kuss nie passiert wäre – mental ad acta gelegt.
Was ihn wahrscheinlich am meisten überraschte und ärgerte, war dann eben die Art und Weise, wie ihm die Knie fast versagt hatten. Und sein Gehirn weich geworden war. Denn wenn sein Gehirn anständig funktioniert hätte, hätte er Selena für mehr vom Selben wieder an sich gezerrt ... anstatt bei einem anderen Paar kussbereiter Lippen schwach zu werden, was auch Streicheleinheiten für sein Ego gewesen waren.
Zum Teufel: Nach dem, was mit Sage passiert war – die
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