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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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mich aus dieser Entfernung zu identifizieren.
    »Eigenartig, wie sie sich benehmen«, sinniert Andris. »Sonst greifen sie entweder an oder halten mehr Abstand. Egal. Weiterbuddeln, Mädchen.«
    Als ich den anderen am Abend von Andris’ Beobachtung erzähle, wird vor allem Tycho hellhörig.
    »Bei uns war es genauso!«, ruft er. »Zwölf Rote, immer den Blick auf uns gerichtet, ohne näher zu kommen. Ich habe mich hinter den Bäumen gehalten, mit Sandors Einverständnis.«
    Erstmals seit Langem meldet sich Fleming wieder zu Wort. »Wie praktisch. Warum gehst du nicht zu ihnen, Aureljo? Trag ihnen doch dein Problem vor, dann sparst du dir den Marsch zur Sphäre, das Ergebnis wird das gleiche sein. Eine Kugel oder eine Klinge.« Wieder einmal wartet er die Antwort nicht ab, sondern verlässt die Halle, geht in die Dunkelheit hinaus.
    Jemand von uns sollte ihm folgen, denke ich, bleibe aber ebenso sitzen wie die andern.
    Später an diesem Abend frage ich Lennis, was er über das Verhalten der Sentinel denkt.
    »Eigentlich benehmen sie sich wie Späher«, sagt er nach kurzem Überlegen. »Sie kommen nicht nah ran und beschränken sich aufs Beobachten. Aber Spähtrupps bestehen aus höchstens fünf Mann. Das passt nicht zusammen.«
    Am nächsten Tag gehen einem der Noraner die Nerven durch, als er eine Gruppe Sentinel vorbeiziehen sieht, keine dreihundert Meter entfernt. Er rennt auf sie zu, hebt im Laufen Steine auf und schleudert sie auf die verhassten Lieblinge, die seinen Clan fast ausgelöscht haben.
    Ein paar der Schwarzdornen versuchen ihn zurückzuhalten, doch da ist schon ein Sentinel hinter ihm aufgetaucht, hat sein Gewehr gehoben und den Noraner niedergeschlagen.
    Nur niedergeschlagen, mehr nicht. Keiner der Dornen kann es glauben.
    »Normalerweise hätten sie ihn sofort getötet«, meint Sandor. Die Verblüffung steht ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. »Oder verschleppt und ihn in den Minen arbeiten lassen, bis Erschöpfung und Kälte ihn umbringen.«
    Meine erste Reaktion ist Erleichterung. Die Sentinel haben so gehandelt, wie ich es vor ein paar Wochen noch erwartet hätte, als ich ihnen von meinem Quartier aus beim Patrouillieren zugeschaut habe – menschlich, aber mit Bestimmtheit. Sind die Gräueltaten doch Einzelfälle und nicht die Norm?
     
    »Auf keinen Fall«, sagt Tomma erbost.
    Wir kehren gemeinsam den Boden der Halle mit Tannenzweigen, was Yann Frauenarbeit nennt und wofür ich ihm beinahe meinen Reisigbesen um die Ohren schlage.
    »Es gibt ausreichend Zeugen und Überlebende, die dir genau schildern können, was unsere Leute bei den Clans angerichtet haben.« Ihr Husten und ihre Heiserkeit scheinen in den letzten Tagen etwas besser geworden zu sein, ganz fort ist die Erkältung jedoch noch nicht. Spielt aber ohnehin keine Rolle, Tomma wird sich Aureljo nicht anschließen, wenn er in die Sphären zurückkehrt, egal wie gesund sie ist. Ich bin sicher, sie würde auch bleiben, wenn wir alle fortgingen.
    »Verabschiede dich von dem, was sie uns früher erzählt haben, Ria. Es ist einfach nicht wahr.« Tomma reibt sich die Augen, die entzündet aussehen. Vermutlich ist es in Yanns Behausung auch nicht wärmer als in unserem Keller, dafür aber zugiger.
    »Aureljo will zurückgehen«, sage ich leise.
    Sie lacht. »Ja, das habe ich gehört. Typisch Aureljo, nicht wahr? Er glaubt wirklich, dass er die Nummer 1 war, macht für die einen Unterschied.« Tomma steckt eine lose Haarsträhne zurück in ihren Zopf. »Besser wäre, er würde uns bei der Aussaat helfen. In drei Wochen, meint Lore, ist der Boden so weit. Wir werden es mit Wintergerste versuchen, die verträgt Kälte am besten. Endlich hat das, was ich gelernt habe, einen Nutzen!«
    Einen winzigen Moment lang beneide ich sie. Es stimmt, sie wird tun können, wofür sie ausgebildet wurde, während ich mit all meiner Kunst in Beobachtung und Beeinflussung nicht einmal Aureljo dazu bringe, von seinem Plan abzuweichen.
    Die Halle ist nun deutlich sauberer als zuvor. Ich drücke Yann meinen Tannenbesen in die Hand und gehe hinaus ins Freie.
    Aus dem Küchentrakt weht der Duft von gebratenem Fleisch zu mir, darunter mischt sich der muffige Geruch der Fladen, die wir jeden Tag essen. Tycho behauptet, sie werden aus Moos gemacht.
    Es ist warm genug, um regungslos dazustehen, ohne zu frieren. Ich wünsche mir so sehr, dass Tomma recht behält. Gerste. Ein Getreidefeld unter freiem Himmel würde sich im Wind bewegen, es würde rascheln, wenn die

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