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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Halme aneinanderreihen, ganz anders als die Felder in den Agrarkuppeln, die so tot wirken.
    Von Weitem sehe ich zwei Gestalten näher kommen, eine davon ist Aureljo. Lachend. Gestikulierend. Neben ihm geht Quirin, die Arme vor der Brust verschränkt, ab und zu nickt er. Also geht die Planung für Aureljos Vorhaben gut voran, verdammt.
    Noch bevor sie mich entdecken, drehe ich mich um und gehe in die Halle zurück.
     
    Mit gestrecktem Zeige- und Mittelfinger zweimal kurz gegeneinanderklopfen, das ist das Zeichen für Hase. Den Handrücken an die Stirn, die Finger offen: Hirsch. Mit der flachen Hand eine schneidende Bewegung nach unten: Messer.
    Sandor zeigt mir eine Geste nach der anderen, während wir am Waldrand auf der Lauer liegen. Heute Morgen hat er mir einen Bogen und drei Pfeile überreicht.
    »Man muss jagen können hier draußen. Besser, du lernst es schnell.«
    Niemand hat protestiert, als ich meine neuen Errungenschaften mit zur heutigen Jagd genommen habe. Sie alle wissen, dass von mir keine Gefahr ausgeht, dass ich niemanden verletzen kann, höchstens mich selbst, ungeschickt, wie ich bin.
    Es sind nur noch wenige Flecken Schnee um uns herum zu sehen. Da, wo die Bäume Schatten werfen, hat er sich gehalten, seine Oberfläche ist hart wie Wundschorf und gesprenkelt von herabgefallenen Fichtennadeln.
    Ich übe die Handzeichen. Hase, Hirsch, Messer. Feuer, Feind, Flucht, Tod.
    »Euer Anführer will zurück zu den Lieblingen, habe ich gehört.« Sandor spricht leise, kaum hörbar, und ohne mich anzusehen. Er behält das offene Gelände im Auge, eine Fläche aus Matsch und erstem, aufkeimendem Grün. Gras wahrscheinlich.
    »Das stimmt.«
    »Mutig.« Er verlagert seine Position, lockert ein Knie. »Wirst du mit ihm gehen?«
    Ich sehe ihn von der Seite an. Ist es persönliches Interesse, das ihn zu dieser Frage treibt? Oder die erfreuliche Aussicht, bald zwei Lieblinge weniger füttern zu müssen?
    »Werde ich nicht. Und ich wünschte, Aureljo würde es sich auch noch mal überlegen.«
    Die gespaltene Augenbraue hebt sich. »Dann kann man dich bald nicht mehr als Liebling bezeichnen. Aber für einen Prim fehlen dir noch wesentliche Fähigkeiten. Wir werden eine neue Bezeichnung für dich finden müssen.«
    Sandor zu lesen, ist kein leichtes Unterfangen. Man könnte meinen, er freut sich darüber, dass ich bleiben will – wenn man nach seiner Miene geht. Sein Tonfall sagt etwas ganz anderes.
    Noch immer sieht er mich nicht an, nur mit den Jägern, die auf anderen Positionen lauern, tauscht er Blicke und Gesten.
    »Was bedeutet eigentlich Than?« Ich möchte das Gespräch nicht abreißen lassen und würde zudem gern wissen, in welcher Stimmung mir Sandor die nächste Antwort vorsetzen wird. Amüsiert, gelangweilt, wütend?
    Erst einmal gar nicht. Er verzieht nur leicht den mir zugewandten Mundwinkel und lockert seine Schultern, so, wie man es uns im Körpertraining gezeigt hat – Muskeln entspannen, bevor man losläuft.
    »Es bedeutet, dass ich an Vilems Stelle trete, wenn er stirbt.«
    Ein Than ist also der nächste Fürst. So, wie Aureljo vermutlich einer der nächsten Präsidenten geworden wäre.
    Sandors Hand schnellt zu seiner Stirn. Gespreizte Finger. Hirsch. Den weiteren Gesten kann ich nicht mehr folgen, aber ich sehe das Tier, das seinen Kopf zwischen einer Baumgruppe hervorsteckt. Zweihundert Meter entfernt. Das ist viel, um sich unbemerkt anzuschleichen, doch einen Hirsch wollen sich die Jäger nicht entgehen lassen.
    Auch für mich hat Sandor eine Geste. Langsames Senken der flachen Hand: Bleib hier. Dann schleicht er geduckt am Waldrand entlang, der Wind weht ihm lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die anderen Männer folgen ihm, gleiten lautlos von einem Schatten zum nächsten.
    Ich widme ihnen meine volle Konzentration, versuche, durch Zusehen zu lernen, und muss grinsen, als ich merke, dass es sich ähnlich anfühlt wie meine Lektionen an der Akademie. Das Begreifen von Zusammenhängen, das Nachvollziehen von Abläufen, das Erkennen von Mustern.
    Der Hirsch ist beschäftigt mit frischem Grün, aber seine blattförmigen Ohren bewegen sich, fangen die Laute der Umgebung ein. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er seine Verfolger bemerkt.
    Sandor nimmt seinen Bogen vom Rücken, legt in einer langsamen, aber geschmeidigen Bewegung einen Pfeil auf. Er spannt die Sehne, ohne Eile, ohne –
    Etwas reißt mich aus meiner Hockposition, ein schneidender, würgender Schmerz am Hals. Meine Hand schnellt

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