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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Sätze.
    Als nach einer Stunde der Pfiff durch die Halle schrillt, der die fünfminütige Pause einleitet, und Aureljo mit den anderen in den Nebenraum gehen will, halte ich ihn an der Schulter zurück. Ich lege meine Arme um seinen Hals und bringe meinen Mund ganz nah an sein Ohr.
    »Lächle«, bitte ich ihn. »Tu so, als würde ich dir romantische Dinge zuflüstern. Lass dir nichts anmerken, egal, was du gleich von mir erfahren wirst. Wenn du mich verstanden hast, nicke.«
    Ich spüre seine Kopfbewegung, ein wenig zögernd.
    »Ich habe ein Gespräch belauscht, heute Mittag. Gorgias und Morus haben jemanden in der Bibliothek getroffen, in dem abgesperrten Trakt, der gerade renoviert wird. Ich glaube nicht, dass ich den Mann kenne. Wahrscheinlich war es ein Abgesandter der Regierung.«
    Aureljo drückt mich an sich und signalisiert mir durch ein weiteres Nicken, dass er bisher alles verstanden hat.
    »Das Erste, was du wissen solltest, ist, dass Gorgias meinte, er wüsste, worüber seine Studenten sich unterhalten. Ich glaube, die Akademie hört uns ab. Oder es gibt Spione, jedenfalls dürfen wir über das, was ich dir gleich erzählen werde, nicht offen sprechen. Auch nicht, wenn wir uns unbeobachtet fühlen.«
    Aureljo nickt wieder, aber zurückhaltender diesmal. Dass wir unter Überwachung stehen sollen, schmeckt ihm nicht. Er wird Beweise dafür wollen und ich habe keine Ahnung, woher ich die nehmen soll. Als ich weiterspreche, überschlagen sich meine Worte, eins stolpert hektisch über das nächste. »Sie haben von einer Verschwörung gesprochen, die so bedrohlich ist, dass sie den ganzen Sphärenbund zerstören könnte. Laut dem unbekannten Mann ist es nötig, die Beteiligten zu töten, und zwar bald.«
    Aureljos Armmuskeln spannen sich an, doch ich bin sicher, er hält sein Lächeln aufrecht. Er ist gut in diesen Dingen. Wenn es darauf ankommt, schlägt er uns alle. Ich hoffe inständig, dass er sich auch noch beherrschen kann, wenn er gehört hat, was ich als Nächstes sagen werde.
    »Die Verschwörer sollen Studenten der Akademie sein. Sechs Studenten. Hör mir jetzt genau zu. Unter den Reihungsnummern, die der Fremde genannt hat, war auch meine. Und deine.«
    Ich warte, schmiege mich noch enger an Aureljos Hals und halte die Luft an, um zu hören, ob er etwas sagt.
    Zittriges Einatmen. Lächelt er noch? Seine Hände wollen mich fortdrücken, wahrscheinlich will er mir ins Gesicht sehen. Denkt er, ich mache Scherze?
    Ich weiche ein Stück zurück, strahle ihn an, lache, als hätte er mir etwas Anzügliches zugeflüstert. Seine Miene ist starr, aber nicht entsetzt. Eher so, als hätte ich ihm einen Witz erzählt, den er nicht verstanden hat.
    Zwei Arbeiter in grauen Overalls gehen an uns vorbei, ihre Blicke sind scheu, aber aufmerksam. Ich begebe mich zurück in Aureljos Umarmung und sofort ist sein Mund an meinem Ohr.
    »Das ist sicher ein Irrtum«, flüstert er. »Wir und eine Verschwörung, das ist doch absurd! Mit welchem Ziel? Und wer sind die anderen?«
    Ich beginne mit dem, was ich weiß. »114, 89, 65, 32. Und wir beide. Ich habe die Nummern überprüft. Fleming und Tomma sind dabei, außerdem zwei, die ich nicht kenne: Tycho und Dantorian.«
    »Aber –«
    »Natürlich ist es Unsinn. Der Fremde hat nicht gesagt, was wir angeblich geplant haben sollen. Kein Wort. Allerdings hat er Gorgias und Morus etwas gezeigt, als sie ihn nach Beweisen gefragt haben. Danach haben sie sehr überzeugt gewirkt.« Die Erinnerung packt mich wieder mit aller Schärfe, wie ein Eissturm, der durch unzählige Kleidungsschichten bis zur Haut vordringt.
    »Sie wollen uns umbringen, Aureljo, obwohl wir nichts getan haben. Weißt du etwas von einer Verschwörung, irgendetwas?«
    »Natürlich nicht!«
    Ich streiche ihm übers Haar, küsse die Stelle neben seinem linken Auge. Das Rütteln der Maschinen wird lauter, gleich kommt der Pfiff und das Ende der Pause.
    »Bist du sicher, dass es kein Irrtum ist?«, fragt er. »Du könntest etwas falsch verstanden haben.«
    »Ich wünschte, es wäre so. Aber ich habe jedes Wort genau gehört. Gorgias war erschüttert, aber er hat sich gefügt. Morus hat es ruhiger aufgenommen.« Immerhin favorisiert er Tudor schon seit Langem und nun ist die Spitze der Reihung für ihn zum Greifen nah.
    Der Pfiff. Gleich werden aus dem Nebenraum die anderen wieder hereinströmen, Arbeiter und Freiwillige wie wir. Im Moment beneide ich jeden Einzelnen von ihnen brennend und wünsche mir, ich könnte

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