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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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an. Seine Haltung, seine Bewegungen, seine Schnelligkeit, sein sparsames Mienenspiel. Es ist wirklich albern, ich weiß. Er ist ein … Außenbewohner, ich gehöre zur Elite der besten Akademie des Sphärenbundes.
    Gehörte, korrigiere ich mich.
    Sandor hebt die Augenbrauen, die gespaltene ein wenig höher. Er wartet immer noch auf eine Antwort. Nur mit Mühe entsinne ich mich, dass es um unsere angeblichen Verbrechen ging.
    »Niemand hat uns erklärt, was uns vorgeworfen wird. Aber es scheint so schlimm zu sein, dass wir deshalb sterben sollen.«
    Er späht nach oben, als würde er Ausschau nach seinem Vogel halten. »Seit wann genügt es euch Lieblingen nicht mehr, uns Außenbewohner zu töten?«
    Der Moment, in dem ich Sandor sympathisch und beinahe anziehend gefunden habe, ist vorbei. Zum Glück.
    »Es gefällt euch, uns als Mörder darzustellen, nicht wahr? Es ist immer einfacher, andere für die eigenen Schwierigkeiten verantwortlich zu machen.«
    »Natürlich. Hass wärmt.« Sandor wirkt nicht im Mindesten beleidigt. »Aber ich verstehe, wieso du aufgebracht bist. Du denkst, wir werden mit euch genauso umspringen. Euch erst für die Arbeit einspannen und dann töten.«
    Nein, das habe ich nicht gedacht, jedenfalls nicht von ihm. Ich kann mich nur nicht von der Vorstellung verabschieden, dass die Sphären ein guter Ort sind, voller Geborgenheit und friedliebender Menschen. Auch wenn wir immer wieder das Gegenteil erfahren, dringt das Erlebte der letzten Tage nur bis zu meinem Hirn durch und noch nicht bis zu meinem Herzen. Ich ertrage es nur schwer, dass ein Prim uns als Barbaren darstellt, also kratze ich alles zusammen, was ich über Sandors Clan weiß. »Immerhin«, zische ich, »werfen wir keine kleinen Kinder in Dornenbüsche, um die schwächsten auszusieben.«
    Ich lasse Sandor nicht aus den Augen, kann aber keine Reaktion in seinem Gesicht erkennen. Kein Zucken, kein schmerzliches Verziehen der Miene.
    »Die eigenen Kinder. Streitest du das ab?«
    »Nein.«
    Ich wusste es. Sie sind Wilde. Bedauernswerte Menschen, das natürlich auch, aber vor allem sind sie unzivilisiert und brutal.
    Offenbar sieht man mir meine Verachtung an, denn Sandor schüttelt den Kopf, als wüsste er, was ich denke. »Ich würde es allerdings anders ausdrücken. Wir werfen sie nicht in die Dornen, sie gehen hindurch. Die meisten sehen es als Abenteuer und nur wenige verletzen sich ernsthaft.«
    »Aber ihr zwingt sie. Das ist ebenso schlimm.«
    Meine Worte werden von einem flatternden Geräusch begleitet. Ohne dass ich gesehen hätte, woher, fliegt plötzlich Sandors Vogel über uns. Sandor streckt die Hand aus und lässt ihn landen.
    Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück. Ich bin es nicht gewohnt, Tieren so nah zu sein. Die ruckartigen Kopfbewegungen des Vogels, seine gelb umrandeten Augen, die mich taxieren, machen mich nervös.
    Der Schnabel ist leicht geöffnet und Sandor streicht mit der Rückseite seines kleinen Fingers darüber, dann über die schneeweißen Brustfedern.
    Einer der Jäger bringt einen Ledersack, in dem sich die Reste des Fahnders befinden. Sandor wirft einen Blick hinein und nickt.
    »Wir sind zum Aufbruch bereit, Than«, sagt der Mann.
    »Gut.« Sandor lächelt. »Ich wünschte, wir wären jeden Tag so schnell und so erfolgreich.«
    »Hat Kelvin schon Beute geschlagen?«
    Sandor streicht dem Vogel über den Kopf. »Noch nicht. Aber wer weiß …« Mit einer schwungvollen Bewegung hebt er den Arm und das Tier stößt sich von seiner Hand ab, steigt mit kräftigen Flügelschlägen über die Wipfel der Bäume.
    Ich sehe ihm nach. Kelvin. Ist es Zufall, dass Sandor seinen Vogel nach der Basiseinheit der thermodynamischen Temperatur benannt hat? Nach einem Physiker, der sich mit Wärme und Kälte beschäftigt hat?
    Muss wohl so sein. Ich glaube nicht, dass es bei den Prims Schulen gibt. Vielleicht habe ich mich auch verhört.
    Ich glaube mittlerweile, dass es sich um einen Adler handelt. Über die haben wir in Außenkunde gesprochen, wenn auch nur flüchtig. Ich erinnere mich zwar, dass das Tier auf dem Bild braune Federn hatte, aber wahrscheinlich gibt es mehr als nur eine Art.
    Wie sich später herausstellt, liege ich nur knapp daneben. Kelvin ist ein Falke und, wenn man Lennis Glauben schenken darf, das klügste Tier überhaupt.

25
    Wir sind die Ersten, die zurückkehren, und werden überschwänglich begrüßt. Das alte Paar, das für die Küche zuständig ist, reißt den Jägern die zerteilten

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