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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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stoßender Zeigefinger für Angreifen? Oder für Schießen? Wieder die abgeknickte Hand, doch diesmal liegen die Finger nicht aneinander, sondern sind gespreizt. Das könnte bedeuten, dass die Jäger sich aufteilen und von unterschiedlichen Seiten losschlagen wollen.
    Dann geht alles plötzlich sehr schnell. Zwei der Männer und eine der Jägerinnen legen Pfeile auf und schießen auf das Tier am Waldrand; im gleichen Moment taucht ein weiteres Schwein auf, schwarz wie die Lange Nacht und riesig groß. Es stößt ein Geräusch aus, wie ich es noch nie zuvor gehört habe, und rennt mit gesenktem Kopf auf uns zu.
    Die Schützen springen zur Seite, das angreifende Wildschwein schlägt Haken, während das getroffene am Waldrand zusammenbricht.
    Im ersten Augenblick habe ich keine Angst, sondern stehe nur da, als wäre das, was sich vor mir abspielt, der Filmbeitrag einer Fortbildungsveranstaltung. So lange, bis mich jemand schmerzhaft am linken Arm packt und zur Seite zerrt.
    Zwei Jäger springen in mein Sichtfeld, die Arme, in denen sie ihre Speere halten, hoch erhoben.
    Das Wildschwein rennt genau auf uns zu. Schnee und Erde spritzen hinter ihm hoch auf, sein Kopf ist gesenkt und es gibt Geräusche von sich, wie ich sie noch nie gehört habe. Es ist jetzt so nah, dass ich die langen Zähne seitlich seines Mauls sehen kann.
    Mit einem Schlag ist die Angst da. Ich werde nicht rechtzeitig fliehen können und Tiere, habe ich gelernt, erkennen mühelos das schwächste Glied einer Gruppe.
    Ich stolpere mehr, als dass ich laufe. Immer noch graben sich Finger in meinen Arm, Sandors Finger, er zerrt mich zu einem Felsen, stößt mich dahinter und eilt den beiden Speerträgern zu Hilfe.
    Das Tier gibt wieder diesen Laut von sich, es ist höchstens noch zwanzig Schritte entfernt. Unfassbar, wie groß es ist.
    Der erste Speer rutscht ab und das Schwein ändert mit einem wütenden Brüllen die Richtung, rammt seinen Angreifer, wirft ihn zu Boden. Der Mann schreit auf.
    Der zweite Speer trifft das Tier zwischen die Rippen, ein Jäger mit einer schwertartigen Klinge stürzt hinzu. Ich drehe den Kopf zur Seite. Es ist ein blutiges Schauspiel und ich spüre, wie mein Magen sich verkrampft. Nicht aus Angst, sondern aus Ekel.
    Als ich wieder hinsehe, ist alles vorbei. Das eben erlegte Wildschwein liegt in Matsch und zerwühlter Erde, das andere Tier wird bereits zerteilt. Die Stimmung unter den Jägern könnte nicht besser sein.
    »Macht schnell«, befiehlt Sandor. »Die Wölfe wittern das Blut.«
    »Dann hole ich mir heute noch zwei Wolfspelze!«, grölt einer der anderen. Er stößt mit seinem Speer spielerisch nach imaginären Tieren und in diesem Moment sehe ich es.
    Ein Aufblitzen, nicht mehr.
    Diesmal muss ich Sandor nicht darauf aufmerksam machen, er hat den Fahnder ebenfalls entdeckt. Nicht weit entfernt von dem ersten toten Schwein rollt er in unsere Richtung.
    »Bleib hinter dem Felsen.« Sandor zieht sich sein Halstuch über Mund und Nase, hebt einen Stein auf, der größer ist als sein Kopf, und geht auf den Fahnder zu. Einen kurzen, nachdenklichen Moment bleibt er vor dem Gerät stehen, dann lässt er den Stein darauffallen. Das Knirschen ist unangenehm laut.
    »Rohstoffe einsammeln«, ordnet er an und zieht sich das Tuch vom Gesicht.
    Ich wünschte, ich hätte auch etwas, um mein Gesicht zu verbergen, wenn ich draußen unterwegs bin. Es genügt ein einziger Schwenk der eingebauten Kamera und wir sind entdeckt. Dieser Fahnder wird nicht der letzte sein, den die Sphären uns hinterherschicken.
    War das der Auftrag des Sentinel-Trupps gewesen? Suchgeräte auszusetzen?
    »Sie sind ja wirklich scharf darauf, euch zu finden.« Sandor verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich frage mich, was ihr verbrochen habt.«
    In meinem Kopf herrscht völliges Durcheinander. Ich kann keinem meiner Freunde mehr vertrauen, selbst Aureljo gegenüber bin ich nicht mehr so offen wie früher, aber bei diesem Prim weiß ich, dass er meinem Leben im Moment kein Ende setzen will, sonst hätte er mich wohl kaum vor der Attacke des Wildschweins gerettet.
    Sandor hat etwas an sich, das mir das Gefühl vermittelt, alles könnte wieder gut werden. Das ist so abwegig, dass ich mir an den Kopf greifen möchte. Und nicht nur das: Er hat noch nie ein freundliches Wort an mich gerichtet, trotzdem glaube ich, dass wir die relativ gute Behandlung, die uns zuteilwird, vor allem ihm verdanken. Hinzu kommt etwas, das mir zutiefst unangenehm ist. Ich sehe ihn gerne

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