Die verrückteste Nacht meines Lebens (German Edition)
die Barista mir empfiehlt, als ich mich nach dem besten koffeinfreien, beruhigenden Getränk erkundige, das sie auf der Karte hat. Ich setze mich an einen kleinen Tisch in der Ecke und wünsche mir, ich hätte ein Buch oder eine Zeitschrift oder was zu stricken oder so, während ich hier warte.
Ich nehme einen Schluck von meinem Tee. Igitt. Irgendwie eklig. Ziemlich stark und kräuterlastig, und nicht genug Milch und Zucker drin. Doch wenn ich Nachschub will, muss ich zurück an den Tresen gehen, und dann ist mein Tisch weg. Und wenn der Tisch weg ist, dann ist das richtig blöd, was mache ich denn dann?? Mit meinem Getränk die Straße auf und ab marschieren? Ich kann ja schlecht einen Schaufensterbummel machen; die einzigen Läden, die um die Zeit auf haben, sind ein paar rund um die Uhr geöffnete Restaurants und Pizzabuden.
Ich nippe an meinem Tee und tu mir eine Zeit lang selbst leid, dann klappe ich mein Handy auf und rufe Marissa an.
»Hallo!«, meldet sie sich schließlich. Ich kann hören, dass sie im Auto sitzt, wegen des Fahrtwindes, als wären bei ihr sämtliche Fenster geöffnet. »Was ist los?«
»Wo bleibt ihr denn?«, frage ich.
»Warte mal«, meint sie. »Ich kann dich kaum verstehen.« Sie stellt die Musik leiser, dann sagt sie etwas zu Clarice und kichert. Na toll. Klingt ganz so, als hätten sie superviel Spaß, mit Musik und Wind in den Haaren, und ich sitze hier und trink so ’nen doofen Kräutertee, der nach Tannenzapfen schmeckt, und warte ganz mutterseelenallein auf die nächste total erniedrigende Aufgabe, die ich erledigen muss.
»Okay, tut mir leid«, meint Marissa, als sie wieder in der Leitung ist. »Clarice hat mich gerade erst abgeholt.«
»Du hättest sie sehen sollen, Eliza«, brüllt Clarice. »Sie musste von der hinteren Veranda runterspringen; die wär fast draufgegangen.«
»Ja, echt lustig«, bestätigt Marissa. »Aber egal, wo bist du?«
»Ich sitze schon hier«, erkläre ich, »an einem Tisch weiter hinten.«
»Wir sind gleich da«, versichert mir Marissa. »In fünf Minuten.«
Fünfzehn quälend lange Minuten später kommen sie angetanzt, kichernd und lachend und quatschend. Seit wann sind die beiden denn so dicke Freundinnen?
»Hi«, sage ich mürrisch. »Warum habt ihr so lang gebraucht?«
»’tschuldige«, meint Marissa. »Ich hab Clarice fahren lassen, ein großer Fehler, deswegen sind wir natürlich ewig durch die Gegend gekurvt auf der Suche nach einem Parkplatz, der groß genug ist für sie, weil sie so eine Panik vor dem Seitwärtseinparken hat.«
»Ich hab keine Panik davor«, protestiert Clarice. »Ich trau mir das bloß nicht so recht zu, und ich weiß doch, wie du dich aufregen würdest, wenn ich einen Kratzer in dein Auto mache.« Sie wirft ihr blondes Haar über die Schulter. »Aber egal, spielte eh keine Rolle, weil nämlich ein total netter Herr für mich eingeparkt hat.«
»Ein netter Herr hat für dich eingeparkt?« Mal ehrlich, so was kann man sich einfach nicht ausdenken.
»Ja«, bestätigt Clarice. »Er ging gerade über die Straße, da hab ich einen Parkplatz entdeckt, deshalb meinte ich zu ihm: ›Verzeihen Sie, Sir, aber wären Sie vielleicht so freundlich, meinen Wagen für mich einzuparken?‹ Und das hat er dann auch gemacht!« Sie strahlt mich an.
»Warum hast du das nicht einfach übernommen?«, frage ich Marissa.
»Weil ich sehen wollte, was passiert«, erklärt Marissa.
»Woher wusstest du denn, dass der Mann seitwärts einparken kann?«, frage ich Clarice.
»Das hab ich ihm irgendwie angesehen«, meint sie.
»Und was, wenn er betrunken gewesen wäre?«
»Eliza, er war nicht betrunken!« Sie sieht schockiert aus. »Er hatte einen Anzug an und einen sehr gepflegten Bart!« Ich verkneife es mir, sie darauf hinzuweisen, dass er, wenn er einen Anzug anhatte, höchstwahrscheinlich nicht mehr die Zeit hatte, sich nach der Arbeit zu Hause umzuziehen. Und das wiederum bedeutete, dass er schon seit Feierabend durch die Straßen von Boston zieht, vielleicht sogar schon seit gestern, und Gott weiß was getrieben hat.
»Vielleicht war er ein kleines bisschen betrunken«, meint Marissa. »Und er hat dich ja auch nach deiner Nummer gefragt.«
»Der war in Ordnung«, wehrt Clarice ab. »Das war einfach nur ein netter älterer Herr, der etwas Gutes tun und mir helfen wollte.«
»Egal«, sage ich. Obwohl es irgendwie rührend ist, wie naiv Clarice eigentlich ist.
»Ja, vergessen wir das«, meint Marissa. Sie lässt sich auf den Stuhl
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