Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Jetzt habe
ich einen Bruder, und jetzt weiß ich auch, dass ein Unternehmen, das sehr eng mit einem sehr hochrangigen Führer der Syndikatwelten verbunden ist, den Entschluss fasste, meinen Bruder und Hunderte seiner Kollegen im Wendig-System zurückzulassen, weil so die Ausgaben im Jahresbericht des Unternehmens ein klein wenig niedriger ausfielen. Ich habe jetzt auch eine Schwägerin und einige Nichten und Neffen, von deren Existenz ich bislang nichts wusste. Dass sie leben, verdanken sie alle Ihnen.«
Plötzlich konnte Geary das Foto auf dem Schreibtisch zuordnen. Es zeigte den um Jahrzehnte jüngeren Bürgermeister von Alpha.
Die Offizierin schüttelte den Kopf. »Ganz zu schweigen von all den anderen, die in dem System umgekommen wären, hätten Sie stattdessen den Planeten bombardiert. Aber ich habe von Leuten aus Systemen wie Corvus, Sutrah und sogar Sancere gehört, und daher weiß ich, dass Sie überall auf die gleiche Weise vorgegangen sind und Ihre durch unsere Angriffe ausgelösten Vergeltungsschläge ausschließlich gegen militärische Ziele oder Industrieanlagen gerichtet haben. Ich weiß nicht, wie viele Millionen oder Milliarden Bürger der Syndikatwelten Sie bislang mühelos hätten töten können, aber ich weiß, dass Sie das nicht getan haben.«
Mit einem Mal begann die Frau finster zu lächeln. »Ich finde mich jetzt in der Situation wieder, dass ich der Allianz-Flotte danke, weil so viele Leben gerettet wurden, aber gleichzeitig verlangen meine Befehle von mir, dass ich alle notwendigen Maßnahmen ergreife, um so viele Ihrer Schiffe wie möglich zu zerstören und um Sie so lange wie möglich aul-zuhalten, ganz gleich, welche Verluste die Bewohner dieses Sternensystems dafür hinnehmen müssen. Ich bin mir durchaus der Situation bewusst, in der Sie sich befinden. Man hat uns mindestens ein halbes Dutzend Mal erzählt, dass Ihre Flotte in eine Falle geraten ist und bald vernichtet werden wird. Wie Sie es bis hierher schaffen konnten, das wissen allein die Lebenden Sterne. Dass Sie das Kommando führen, Captain Geary - und die Syndikatwellen haben Ihre Identität offenbar bestätigen können -, veranlasst mich zu der Frage, ob die Lebenden Sterne wohl in diesen Krieg eingegriffen haben. Wenn sie das getan haben, dann bin ich ihnen sehr dankbar, weil Sie eine für den Krieg geschaffene Streitmacht dazu benutzten, das Leben Ihrer Feinde zu retten. Ich bin Ihnen etwas schuldig, Captain Geary, und ich glaube daran, dass man Gutes mit Gutem vergelten sollte. Ihre Flotte ist auf dem Weg zu einer Konfrontation mit einer großen Streitmacht der Syndikatwelten, aber Sie sind ihr zahlenmäßig weil überlegen. Auch wenn unsere Führer versuchen, alles über Sie und Ihre Flotte geheimzuhalten, kursieren zahlreiche glaubwürdige inoffizielle Berichte über Sie. Mit Blick auf diese Berichte glaube ich nicht, dass die Syndik-Flotte Erfolg haben wird, aber angesichts der Dinge, die Sie bislang getan haben, erfüllt mich diese Aussicht nicht mit Furcht. Ihre Flotte wird für die Menschen hier eine geringere Bedrohung darstellen als eine Flotte, die dem Exekutivrat der Syndikatwelten unterstellt ist.«
Abermals schüttelte die Frau den Kopf. »Ich werde nicht vergessen, was Sie getan haben, Captain Geary. Viele von uns sind längst zu der Ansicht gelangt, dass dieser Krieg an dem Tag sinnlos wurde, an dem er begann. Wir sind es leid, in unseren Sternensystemen mit Mühe und Not über die Runden zu kommen, während unsere Führer den Wohlstand der Syndikatwelten in einem Krieg verpulvern, der nicht gewonnen werden kann. Wenn Sie heimkehren, richten Sie Ihren Führern aus, dass es hier Menschen gibt, die genug vom Krieg haben und die verhandeln möchten.« Nach einer kurzen Pause fügte die Frau an: »Als unsere Einrichtungen in Dilawa vor gut zwanzig Jahren eingemottet wurden, da hielt man es für unwirtschaftlich, die in den Bergbauanlagen gelagerten Vorräte abzutransportieren. Vieles wurde dort zurückgelassen. Sie sollen nur wissen, dass es dort Vorräte gibt, falls Sie noch Bedarf haben.«
Ihr Bild verschwand vom Display, und Geary lehnte sich nachdenklich zurück.
»Können wir ihr vertrauen?«, fragte Desjani.
»Ich weiß nicht. Wo ist Co-Präsidentin Rione?«
»In ihrem Quartier, vermute ich.«
»Schicken Sie ihr eine Kopie und bitten Sie sie um eine Einschätzung.« Desjani verzog den Mund und zögerte gerade lange genug, dass Geary es noch bemerkte. »Schon gut, ich erledige das selbst.«
Fünf
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