Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Ihre Stimme war so frei von Emo-tionen wie sonst auch.
»Weil Sie nicht glücklich darüber zu sein schienen, dass Sie einen Beleg dafür zu sehen bekommen haben, wie schlecht es um die Syndiks bestellt ist. Sie haben mir selbst gesagt, dass das Allianz-Militär mit der Regierung unzufrieden ist und dass alle längst genug von diesem Krieg haben. Aber ist es bei uns so schlimm wie hier bei den Syndiks? Droht die Allianz zu zerfallen?«
Rione blieb stehen und sah vor sich auf den Boden, schließ-
lich nickte sie, ohne Geary anzuschauen. »Ein Jahrhundert Krieg, John Geary. Wir können nicht besiegt werden, die Syndiks aber auch nicht. Aber beide Seiten können so weit vorangetrieben werden, dass sie daran zerbrechen.«
»Haben Sie deshalb diese Expedition begleitet? Nicht nur, weil Sie Angst hatten, Bloch hätte sich zum Diktator aufschwingen können, sondern weil Sie wussten, es würde ihm gelingen, und weil die kriegsmüden Bürger der Allianz ihm dann folgen würden, weil sie den Glauben an die Allianz verloren haben?«
»Bloch wäre das nicht gelungen«, erklärte sie ruhig. »Er wäre zu Tode gekommen.«
»Weil Sie ihn ermordet hätten.« Sie nickte. »Bloch musste gewusst haben, was Sie vorhatten. Er musste Vorsichtsmaßnahmen gegen Sie ergriffen haben.«
»Das hatte er tatsächlich.« Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Aber die hätten nicht genügt.«
Geary sah sie aufmerksam an. »Und was wäre aus Ihnen geworden?«
»Da bin ich mir nicht sicher, allerdings wäre das auch unwichtig gewesen. Es ging nur darum, einen Mann zu stoppen, bevor er zum Diktator aufsteigen konnte.«
Da war keine Spur von Spott oder Unehrlichkeit aus ihrem Tonfall herauszuhören. Rione meinte jedes Wort so, wie sie es sagte. »Sie waren bereit, Ihr Leben zu geben, nur um sicherzustellen, dass er tatsächlich stirbt. Victoria, manchmal machen Sie mir Höllenangst.«
»Manchmal mache ich mir selbst Höllenangst.« Sie schien auch das völlig ernst zu meinen. »Ich habe es Ihnen gesagt, John Geary. Ich war der Meinung, dass der Mann, den ich liebte, in diesem Krieg gefallen war. Von meiner Hingabe für die Allianz abgesehen, hatte mein Leben keinen Sinn mehr.
Würde die Allianz zerbrechen, dann hätte ich überhaupt nichts mehr besessen. Mein Ehemann starb für die Allianz, und wenn es erforderlich ist, macht es mir nichts aus, wenn mir das Gleiche widerfährt.«
»Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
Rione musterte ihn sekundenlang, ehe sie antwortete.
»Weil Sie keine Ermutigung gebraucht hätten, wenn Sie ein Mann vom Schlag eines Admiral Bloch gewesen wären. Und wären Sie tatsächlich wie Black Jack gewesen, dann hätten Sie mir kein Wort geglaubt, weil Black Jack die Vorstellung nicht akzeptiert hätte, dass die Allianz vor dem Zusammenbruch steht. Sie mussten mit eigenen Augen sehen, wie ernst die Lage ist, damit Sie es auch verstehen. Außerdem habe ich Ihnen das eine oder andere gesagt, aber das haben Sie nicht immer gemerkt.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Sie aus-gefragt und beobachtet. Ich tat, was ich tun musste, um Ihre Einstellung so zu beeinflussen, damit Sie die Dinge sehen, wie sie sich heute gestalten.«
»Sie taten, was Sie tun mussten?« Das klang sogar fürjeman-den wie Rione kaltherzig. »Sie haben mir einmal gesagt, dass Sie nicht nur mit mir geschlafen haben, um mich zu beeinflussen.«
Ihr Blick löste sich nichtvon ihm. »Das war tatsächlich nicht der einzige Grund. Aber es war einer der Gründe. Zufrieden?
Sie haben meinen Körper bekommen, ich Ihren. Und im Dunkel der Nacht habe ich Ihnen zugeflüstert, wie wichtig es ist, die Allianz vor denjenigen zu beschützen, die sie zerstören wollen, während sie nach außen hin vorgeben, sie nur retten zu wollen. Oh, der Sex hat mir gefallen, das gebe ich freimütig zu. Aber der Tag kam, an dem ich wusste, dass ich dich nicht länger fürchten musste. Und ich spürte, dass meine Gefühle begannen, Verrat an meinem Ehemann zu üben, den ich nach wie vor liebe und der durchaus noch leben könnte. Ich habe dich nicht ihr überlassen, weil ich so edelmütig bin, John Geary. Das tat ich für mich selbst. Und weil ich getan hatte, was ich tun musste.«
Er glaubte ihr nicht jedes Wort. Ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck hatten sich nicht verändert, aber er erinnerte sich gut an die Worte, die sie in betrunkenem Zustand gesprochen hatte. Und ihm entging auch nicht, dass sie zwar in leidenschaftslosem Tonfall ihr
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