Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Minuten später kam Rione auf die Brücke. »Ich glaube, sie meint es ehrlich.«
»Sie will über einen Friedensschluss reden, sie rechnet damit, dass wir die Syndik-Flotte in diesem System besiegen, und sie sagt uns, wo wir Rohstoffe für unsere Hilfsschiffe finden können«, machte Geary klar. »Wenn die Syndik-Behörden das herausfinden, wird sie das ihren Kopf kosten.«
Rione nickte nachdenklich. »Eine CEO eines Sternensystems sagt uns ohne Umschweife, dass sie den Krieg nicht länger unterstützt. Das Ganze deutet auf größere Probleme in der Syndik-Hierarchie hin als von uns erwartet.«
»Und sie sympathisiert mit uns gegen ihre eigenen Streitkräfte«, betonte Desjani, die zwischen Dankbarkeit und Abscheu zu schwanken schien.
Anstatt ihr zu antworten, wandte sich Rione an Geary. »Die Syndik-Flotte war stets ein wichtiges Instrument, mit dem die Führer der Syndikatwelten die Kontrolle über ihr Territorium gewahrt haben. Wer versuchte, Unabhängigkeit zu de-monstrieren, sah sich im Handumdrehen mit einer Flotte Kriegsschiffe konfrontiert, die den Willen des Exekutivrats durchsetzten. Je größer die Verluste sind, die Sie dieser Flotte zufügen, umso mehr bieten sich Gelegenheiten für lokale Führer, aus eigenem Antrieb zu handeln.«
»Diese Flotte setzt sich aus ihren eigenen Leuten zusammen«, sagte Desjani zu Geary. »Dass sie bereit ist, uns anzu-feuern, aber nicht sie, sollte eine Rolle bei unserer Beurteilung dieser CEO spielen.«
Rione schüttelte den Kopf, während sie sich wieder an Geary wandte. »Ein vom Hypernet übergangenes Sternensystem ist wahrscheinlich nicht mit vielen Bürgern in der Flotte vertreten und fühlt sich dadurch auch nicht in gleicher Weise als Teil der Syndikatwelten.«
Geary sah zu Desjani, und erst in diesem Moment begriff er, dass beide Frauen nur mit ihm redeten und sich dabei gegenseitig ignorierten, so als würden sie sich in zwei verschiedenen Räumen befinden und könnten nur ihn direkt ansprechen.
»Die Syndik-CEO«, fuhr Desjani fort, »die wir gesehen haben, ist eine Politikerin, und ich nehme an, eine Politikerin verspürt weniger Gewissensbisse, wenn es um die Verluste von Militärpersonal geht.«
Diese Bemerkung sorgte dafür, dass Rione die Lippen auf-einanderpresste, doch auch jetzt nahm sie Desjani mit keinem Blick zur Kenntnis. »Sie haben meine Einschätzung gehört, Captain Geary. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich muss mich um andere Dinge kümmern.« Mit diesen Worten machte sie kehrt und verließ die Brücke.
Unwillkürlich presste er die Fingerspitzen gegen seine Stirn, um drohende Kopfschmerzen zurückzudrängen. »Captain Desjani«, murmelte er so leise, dass nur sie ihn hören konnte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie davon Abstand nehmen könnten, sich einen offenen Schlagabtausch mit Co-Präsidentin Rione zu liefern.«
»Einen offenen Schlagabtausch?«, wiederholte sie genauso leise. »Ich verstehe nicht, Sir.«
Er warf ihr einen wütenden Blick zu, doch Desjani betrachtete ihn mit einer Miene, die vorgab, schlichtweg ahnungslos zu sein. »Ich möchte wirklich nicht ins Detail gehen.«
»Ich fürchte, das werden Sie aber müssen, Sir.«
Desjani schien der Meinung zu sein, dass er von den Lebenden Sternen geführt wurde, wenn es um das Kommando über die Flotte ging, doch was Rione betraf, da war sie ganz offensichtlich anderer Ansicht.
»Versuchen Sie einfach nur so zu tun, als würde sie sich im gleichen Raum aufhalten wie Sie.«
»Aber das tut sie nicht, Sir. Sie hat die Brücke verlassen.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Captain Desjani?«
»Nein, Sir, das würde ich niemals machen.« Soweit er es einschätzen konnte, war sie völlig ernst.
Es war eindeutig an der Zeit, diese Diskussion einfach zu beenden. Er konnte nicht noch mehr ins Detail gehen, ohne wütend zu werden und die Aufmerksamkeit der Wachhabenden auf sich zu lenken, und genau das wollte er vermeiden.
»Danke, Captain Desjani. Ich bin sehr froh, das zu hören. Es gibt nämlich genug andere Dinge, um die ich mich kümmern muss.«
Wenigstens machte Desjani eine annähernd bedauernde Miene, als Geary die Brücke verließ, weil er versuchen wollte, Rione einzuholen.
Sie war in einem gemächlichen Tempo unterwegs, sodass er sie auf halber Höhe des Korridors erreicht hatte. »Sagen Sie mir die Wahrheit«, forderte er sie auf. »Ist die Allianz auch in einer so schlechten Verfassung? Ist sie im Begriff zu zerbrechen?«
»Warum fragen Sie?«
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