Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
seiner Rettungskapsel sitzen und das Schiff verlassen haben.«
Geary führte Desjani und Rione aus der Geheimdienstabteilung. »Ich glaube, ich würde lieber mit den Aliens verhandeln«, meinte er und war sich gar nicht so sicher, ob das wirklich nur als Scherz gemeint war.
»Dazu könnte es noch kommen«, erwiderte Rione völlig ernst. »Wenn unsere Vermutungen zutreffen, dann haben diese Aliens nur deshalb den Krieg angezettelt, weil sie mit der Syndik-Führung schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Vielleicht wollen sie einfach nur in Ruhe gelassen werden, oder sie haben den Wunsch, vor uns sicher zu sein. Wenn die Bedrohung durch menschliche Aggressoren erst einmal besei-tigt ist, können sich die Aliens ungehindert in alle Richtungen ausbreiten.«
Desjani schien mehr mit sich selbst zu reden, da sie zu Boden sah, als sie sagte: »Es sei denn, an ihren anderen Grenzen gibt es auch noch jemanden.«
Geary stutzte, dann murmelte er besorgt: »Wenn es da drau-
ßen eine nichtmenschliche Intelligenz gibt, dann …«
»Dann könnte es auch noch andere geben. Es wird sogar ganz sicher noch andere geben«, erwiderte Desjani und sah Geary an. »Wir müssen diesen Feind begreifen, und das ist eine sehr wichtige Möglichkeit. Diese Aliens könnten selbst das Gefühl haben, von potentiellen Gegnern umgeben zu sein. Vielleicht führen sie sogar einen Krieg auf der vom Syndik-Territorium abgewandten Seite. Womöglich müssen sie uns nur deshalb beschäftigen, weil sie ihre Flanken schützen wollen. Vielleicht heißt das, dass wir potenzielle Verbündete gegen diese Kreaturen haben. Oder noch schlimmere potenzielle Feinde.«
Rione machte ein Gesicht, als hätte sie etwas Widerwärtiges verschluckt. »Das ist durchaus möglich, und wir haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob das stimmt. Es gibt so verdammt viel, was wir nicht wissen.«
»Wir haben bereits eine Menge erfahren, und wir werden mehr erfahren.« Er konnte nur hoffen, dass das auch stimmte.
Die sich ausdehnenden Trümmerfelder, die kurz zuvor noch die Wracks der Opportune , der Braveheart , der Armet und der
Cercle gewesen waren, fielen weiter hinter der Allianz-Flotte zurück, als die sich dem Sprungpunkt nach Anahalt und Dilawa näherte. Geary ließ die Flotte mit einer Geschwindigkeit von nur 0,04 Licht fliegen, damit schwerer beschädigte Schiffe wie die Courageous und die Brilliant nicht den Anschluss verloren. Er konnte nur hoffen, dass bald genügend Antriebseinheiten repariert waren, damit diese Schiffe wieder normal mithalten konnten. Bislang waren keine weiteren Versuche entdeckt worden, Würmer in irgendwelche Systeme einzuschleusen, was Geary vor die Frage stellte, ob die dafür Verantwortlichen zu viel damit zu tun hatten, die Schäden an ihren Schiffen zu beheben. Oder suchten sie nach neuen Wegen, die Würmer zu platzieren? Oder waren sie zu der Ein-sicht gekommen, dass sie durch ihre bisherigen Bemühungen den größten Teil der Flotte gegen sich aufgebracht hatten, und hatten sie deshalb von weiteren Versuchen Abstand genommen?
Er war sich noch immer nicht schlüssig, zu welchem Stern sie als Nächstes springen sollten, und im Augenblick verspürte er auch nicht den Wunsch, sich darüber Gedanken zu machen.
Bei der jüngsten Schlacht hatte die Flotte viele Besatzungsmitglieder und etliche Schiffe verloren. Vor hundert Jahren hatte er lange Zeit die Flotte im Frieden erlebt, ehe er eine aussichtslose Schlacht führen musste, an deren Ende er in künstlichen Schlaf versetzt wurde. Andere hatten in dem verstriche-nen Jahrhundert zahllose Gefechte ausgetragen; sie hatten sich längst daran gewöhnt, ihre Schiffe und ihre Kameraden zu verlieren. Geary hatte versucht, sich mit dieser Tatsache nicht zu befassen, aber ihm wurde nun klar, dass er sich nicht länger davor drücken konnte. Er musste akzeptieren, dass selbst ein Sieg Menschenleben und Material kostete, und er musste sich mit den Personalakten befassen, aus denen ersichtlich wurde, welche Verluste die Menschen bereits erlitten hatten, bevor er sie gekannt hatte. Das war er ihnen schuldig.
Geary rief die Personalakten auf und begann zu lesen. Captain Jaylen Cresida. Heimatwelt Madira. Ihren ersten Einsatz hatte sie als Waffenoffizier auf dem Zerstörer Shakujo gehabt. Vor fünf Jahren heiratete sie, vor drei Jahren wurde sie zur Witwe, als ihr Ehemann bei der Verteidigung des Allianz-Sternensystems Kana gegen einen Angriff der Syndiks an Bord des Schlachtkreuzers Invincible ums
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