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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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räusperte sich, stand auf, schritt auf Jahzara zu und sagte: »Mein Herz pocht schneller, als die Ströme des Blutes in meinen Adern dies ertragen. Darum lass mich abschließen und noch jene Fragen, die aus deinen Augen zu mir dringen, beantworten: Alles, woran der Kaiserinmutter und des Volkes Herz damals hing, wurde hierher, in die Klöster des Tanasees, gebracht. Alles! Dort drüben, am westlichen Ufer des Sees, dort, wo der Nil sich tosend seinen Weg durch die Berge in die Freiheit gebahnt hat, genau dort wurde die größte Karawane, die Afrika jemals gesehen hat, zusammengestellt. In unseren heiligen Büchern steht geschrieben, dass das Brüllen der vielen Kamele lauter war als das Tosen der Wasserfälle. Einige wenige portugiesische Soldaten und mehr als 1000 unserer Krieger bewachten das Wertvollste, das unser Volk besaß. Die Karawane trug die Prinzessin Sahel und den portugiesischen Edelmann westwärts durch das Meer aus Sand dorthin, wo die Sonne am Abend verglüht. Dort, irgendwo in einem fernen Land, an einem Ort namens Tendaba, so hatten uns die Portugiesen versprochen, würden Schiffe mit weißen Segeln und roten Kreuzen und mutigen Kreuzrittern auf sie warten, auf dass nach ihrer Ankunft christliche Heere im Abendland aufbrechen und unser Volk retten würden. So war uns berichtet worden. Aber es steht auch geschrieben, dass Gog und Magog der Karawane folgten und dass Lüge und Gier in den Herzen jener Priester mit auf die Reise gingen. Sie kamen nie an.«
     
    Stunden später, die Dunkelheit hatte sich bereits über Bahir Dar gelegt, erreichten sie das Städtchen am Ufer des Tanasees.
    Peter hatte aberwitzige Kopfschmerzen. Er wusste die Flut der Informationen nicht so recht einzuordnen. Was der Mönch erzählt hatte, wirbelte sein Weltbild durcheinander. Alles, was bislang als Hypothese im Raum gestanden hatte, schien sich zu bestätigen. Die Sensation war perfekt. Es hatte diese Karawane gegeben. Die Prinzessin Sahel ebenfalls. Es war unglaublich!
    Was ihn nicht minder intensiv beschäftigte, war seine eigene emotionale Schieflage. Auf eigentümliche Weise fühlte er sich plötzlich mit diesen Menschen, mit Jahzara, Seyoum, mit dem Mönch, den Menschen Äthiopiens – mit Afrika aufs Innigste verbunden. Noch nie hatte er sich mit der Geschichte Afrikas so intensiv und von einem derart anderen Betrachtungswinkel aus beschäftigt. Mochte ein Teil dessen, was Abba Giyorgis in den letzten Stunden erzählt hatte, aus Legenden, Mythen oder vom Hörensagen stammen und vielleicht sogar ein wenig erfunden gewesen sein: Es hatte ihn sehr ergriffen, hatte ihn mit der afrikanischen Sicht der Geschichte dieses Kontinents konfrontiert. Eine Geschichte, die ihm nun geradezu logisch erscheinen ließ, warum viele Menschen Afrikas die Weißen hassten, ihnen misstrauten. Sie waren von ihren christlichen Brüdern im Abendland schlichtweg im Stich gelassen worden. Und selbst wenn der Alte sich bei diesem Thema sehr kryptisch ausgedrückt hatte, so ahnte Peter doch, dass da noch eine ganz andere Sensation lauern könnte: die Bundeslade!
    Abba Giyorgis verharrte nochmals am Ufer. »Meine Freunde, der Allmächtige hat unsere Wege zusammengeführt und Er hat vorgegeben, dass sie sich wieder trennen werden. Hier.
    Heute. In dieser Welt werden wir uns nicht wiedersehen. Alles, was ich euch erzählte, ist wahr. Ich weiß es, ihr wisst es jetzt. Ich jedoch werde es nie wieder jemandem erzählen können. Gott hat mir in der Nacht des bösen Traums durch ein Zittern meines Herzens mitgeteilt, dass meine Zeit auf dieser Welt bald zu Ende gehen wird. Ich weiß, dass ich bald sterben werde. Mein altes Herz quält mich, flattert wie ein Blatt im Wind. Ich folge dem Ruf des Herrn. Folgt ihr eurem Herzen! Aber etwas wollte ich euch noch sagen: Ihr sucht nach der Karawane, sucht den Priesterkönig Johannes, forscht in der Vergangenheit und seid doch blind für die Zeichen der Gegenwart! Was der Papst damals, zu Zeiten der Kaiserin Eleni und des Negus Lebna Dengel, wusste, weiß auch der Papst, der heute über die römisch-katholischen Christen wacht. Warum fragt ihr ihn nicht selbst? Öffnet eure Augen! Schaut euch doch mal das Wappen eures Papstes an. Wie heißt er noch mal? Benedikt XVI.? Er hat ein wunderschönes Wappen. Fragt ihn, wieso sich in seinem Wappen links oben ein Mohr befindet. Einer mit einer Krone auf dem Haupt. Sie nennen diesen Mohren ›caput aethiopicum‹. Ist das nicht überaus seltsam? Der äthiopische Kopf!

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