Die verschollene Karawane
anders konnte, als zwischen seinen Würgeanfällen gequält zu grinsen.
Es dauerte gut eine Viertelstunde, bevor sich alle Polizisten auf dem Boot wieder beruhigten. Lange Zeit genügte nur der Blickkontakt zu einem ihrer Kollegen, um abermals wie albernde Kinder loszukichern. Schließlich tuckerte das Polizeiboot durch seichtes Wasser auf die Klosterinsel San Francesco del Deserto zu. Mit festem Boden unter den Füßen grinsten sich Toscanelli und Fröbig an. Sie kannten sich erst seit knapp zwei Stunden. Aber dieses unrühmliche Erlebnis hatte sie auf eigentümliche Weise einander nähergebracht.
Commissario Toscanelli war darüber erleichtert, denn die ersten Gespräche mit seinem Kollegen aus Deutschland waren alles andere als erbaulich gewesen. Hauptkommissar Fröbig, der sehr kurzfristig nach Venedig gekommen war, hatte anfänglich nicht sonderlich gesprächig, mithin ziemlich arrogant gewirkt. Auf nahezu jede dritte Frage hatte er lapidar mit »Das unterliegt strengstem Quellenschutz, dazu kann ich nichts sagen« oder mit »Diese Information ist als streng geheim klassifiziert, deshalb brauche ich eine Genehmigung des Innenministers, um darüber detailliert Auskunft zu geben« geantwortet. Unter diesen Umständen, hatten Commissario Toscanelli und sein Assistent Pietro gemutmaßt, würde es in dieser Ermittlungssache kaum Fortschritte geben. Das Synchronkotzen hatte also auch sein Gutes gehabt.
Gemeinsam gingen die beiden auf das Tor des Klosters zu und klingelten. Toscanelli machte aus seiner Verwunderung keinen Hehl, als sich die Tür öffnete und dort ein Mönch stand, den er zuvor noch nie gesehen hatte. Nicht weniger überrascht war er, zu erfahren, dass Pater Giovanni, der damals Charles Bahri tot aufgefunden hatte, nicht mehr in San Francesco del Deserto sei. Der ehemalige Abt des Klosters ebenfalls nicht mehr! In welchem Kloster die beiden nun seien, wusste der Mönch angeblich nicht.
»Rom hat gesprochen, und unsere beiden Brüder folgten dem Ruf des Heiligen Vaters. Ihrer Pflicht, Gott zu dienen, werden sie überall auf der Welt mit gleicher Inbrunst nachkommen«, kommentierte er ziemlich unfreundlich ihre Frage nach dem Verbleib der beiden wichtigen Zeugen. Entsprechend kurz war der Aufenthalt im Kloster. Nachdem der Commissario seinem Kollegen den damaligen Tatort gezeigt und ihn mit den Örtlichkeiten des Klosters vertraut gemacht hatte, bestiegen beide knapp eine halbe Stunde später erneut das Boot.
Hauptkommissar Fröbig war missmutig, konnte sich aber ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen.
»Die Kirche lebt von Wundern! Das hier ist eins. Husch, weg sind die beiden Hauptzeugen. Und keiner weiß, wo sie sich aufhalten. Na gut, was soll’s. Wenn wir umsonst hier draußen waren, dann können sich zumindest die Fische in der Lagune freuen, dass sie so großzügig von zwei Kriminalbeamten gefüttert werden. Hoffentlich überlebe ich die Rückfahrt.«
Beide Kommissare nahmen am Heck des Bootes Platz. Die Nachmittagssonne streifte die alten Klostermauern und verlieh der Insel eine idyllische Atmosphäre.
Commissario Toscanelli nutzte die Stimmung, um den BKA-Beamten ein wenig gesprächiger zu machen.
»Ich denke, es gibt einen triftigen Grund dafür, dass die beiden Mönche verschwunden sind. Irgendjemand will verhindern, dass wir den beiden Hauptzeugen im Nachhinein noch Fragen stellen. So wie das bisher gelaufen ist, weiß ich schon jetzt, dass unsere Anfrage bei der Ordensleitung mit dem Hinweis auf das Schweigegebot freundlichst abgefertigt werden wird. Erst zwei tote Mönche, nun noch zwei verschwundene. Da steckt der Wurm drin!«
Hauptkommissar Fröbig schaute seinen italienischen Kollegen von der Seite her an. Der relativ junge Mann mit dem flachsfarbenen Haar wirkte sehr sympathisch. Er mochte diesen irgendwie lustigen und so offenherzigen, manchmal allerdings auch ein wenig tollpatschig wirkenden Beamten. An seiner fachlichen Kompetenz bestand kein Zweifel. Was Commissario Toscanelli ihm seit seiner Ankunft über diesen Fall und die Vorgehensweise der venezianischen Kripo erzählt hatte, verdiente viel Lob. Auch dessen Assistent Pietro war ein cleverer Typ. Die beiden schienen sich optimal zu ergänzen. Eigentlich wirkten sie wie Freunde. Vielleicht, dachte er, war das der Grund, warum die venezianische Polizei so auffallend umtriebig in diesem Fall war.
Versöhnlich sagte Gert Fröbig: »Nun gut, wenn die beiden Zeugen nicht zur Verfügung stehen, werden wir nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher