Die verschollene Karawane
Dieser gekrönte Mohr aus Äthiopien ziert das Wappen des jetzigen Papstes. Glaubt ihr nicht auch, das müsse einen Grund haben?«
Peters Gedanken überschlugen sich. Unglaublich! Er hatte das Wappen des neuen Papstes bei seiner Recherche über den Priesterkönig Johannes zwar schon mal gesehen und auch den abgebildeten Mohren mit der Krone auf dem schwarzen Haupt im Unterbewusstsein registriert. Aber er wäre nie darauf gekommen, dass dies etwas mit dem Priesterkönig Johannes zu tun haben könnte. Was sich da abzeichnete, barg eine neue, eine fantastische Dimension! Er wusste, dass man diesen Mohren im Wappen des Papstes auch den Freisinger Mohren nannte, benannt nach Bischof Otto von Freising. Also jenem Bischof, der bereits im 12. Jahrhundert einen gekrönten Mohren in seinem Wappen trug – und der als einer der Ersten galt, die das Abendland mit der fantastischen Geschichte vom Priesterkönig Johannes in Aufruhr versetzten. Wahnsinn! Der Papst der Gegenwart trug denselben gekrönten Mohren in seinem Wappen. Viele Erklärungen für die mysteriösen und tragischen Geschehnisse, die zum Aufbruch einer Karawane gläubiger und verzweifelter Christen von Äthiopien aus gen Westafrika geführt hatten, müssten im Vatikan zu finden sein. Dort fänden sich wahrscheinlich auch Dokumente, die erklären würden, warum vom dramatischen Hilferuf der Kaiserin Eleni an den Papst im Kampf gegen die moslemischen Heerscharen bis zur Ankunft eines Truppenkontingents von vierhundert portugiesischen Musketenschützen in Äthiopien fast zwanzig Jahre vergingen. Zwanzig Jahre! Unvorstellbar! Das war der Untergang von Aksum und Lalibela, der Tod vieler tausend äthiopischer Christen gewesen. Diese Karawane, das stand für Peter fest, war unter größter Geheimhaltung aufgebrochen, um zu retten, was vom einst so ruhmreichen Christenreich in Äthiopien noch zu retten war. Aufgebrochen waren sie, aber nie angekommen. Das Meer der Finsternis hatte sie verschluckt. Dennoch musste es Überlebende der Tragödie gegeben haben, denn nur Überlebende hatten die mysteriöse Karte anfertigen können, die sie von Charles bekommen hatten. Wer waren sie gewesen? Spione des Papstes? Franziskaner?
Als habe der Abt seine Gedanken erraten, wandte er sich nochmals zu Jahzara um. »Was werdet ihr jetzt tun? Wollt ihr aus Wissen Weisheit werden lassen und euren Kindern und vielleicht auch fremden Menschen erzählen, was damals geschah? Wollt ihr zum Papst nach Rom reisen und ihn wegen des Mohren in seinem Wappen befragen? Was, Jahzara, wollt ihr tun?«
Jahzara war verlegen. Der Hinweis des Mönches auf Kinder verunsicherte sie. Peter sah, wie sie für einen Augenblick ihre Fassung verlor. Sie schaute ihn an, blickte zu ihrem Vater, ging zu Abba Giyorgis, umarmte ihn und flüsterte: »Wir werden die Kirche in Aksum besuchen, wo einst die Bundeslade stand. Und danach suchen wir die Gebeine der Prinzessin Sahel und die ihres Mannes. Du hast uns erzählt, dass sie sich liebten und dass es eine große Liebe war. Sahel ist ein wunderschöner Name. Es bedeutet im Arabischen ›Ufer‹ – das Ufer zum Meer aus Sand, dem Meer der Finsternis – zur Wüste Sahara. Also werden wir sie in der Wüste suchen und ihre Gebeine wie die Reliquien einer Heiligen zurück in ihre Heimat, nach Äthiopien, bringen. Und mit ihr die Wahrheit, auf dass sie nach deinem Tod nicht in Vergessenheit geraten werde.«
15.
C ommissario Toscanelli wusste für einen Moment nicht, ob ihm die Situation peinlich sein oder ob er lauthals losbrüllen sollte. Ihm ging es so grauenhaft schlecht, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Er warf einen kurzen Blick auf seinen deutschen Kollegen, der mit aschfahlem, eher grünlichem Gesicht am Bug des Polizeibootes stand und sich übergab. Toscanelli konnte sich nicht länger zurückhalten. Er prustete los, krümmte sich – ob vor Magenschmerzen oder Lachen, war nicht zu unterscheiden – und schämte sich nur ein wenig. Auch der Carabiniere, der am Ruder stand und die ganze Zeit verzweifelt versuchte, sein Lachen zu unterdrücken, konnte sich nicht mehr beherrschen. Tränen liefen den beiden über ihre Wangen.
Pietro suchte lange nach Worten, bis er schließlich abgehackt hervorpresste: »Das… das hat Venedig in seiner glorreichen Geschichte mit Sicherheit noch nie gesehen. Zwei kotzende Kommissare im Einsatz!« Er brüllte es so laut gegen den Fahrtwind, dass selbst Hauptkommissar Gert Fröbig vom deutschen Bundeskriminalamt nicht
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