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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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nicht wahr sein! Die Eingangstür knarrte und fiel scheppernd zu. Hinter ihr! Er schüttelte ungläubig den Kopf, blickte an sich hinunter. Jahzara war weg! Er hatte außer einem Slip nichts an. Der BH lag noch auf dem Boden. Nein, das konnte sie doch nicht tun!
    Eine Minute verging. Er fröstelte. Was, zum Teufel, sollte er tun? Halb nackt durch den Innenhof in die Bar rennen? Er fror, zugleich war ihm heiß. Und er spürte, wie sich ein nicht mehr zu kontrollierendes Lachen und grenzenloses Verlangen nach ihr in ihm aufbaute. Dann brüllte er los, laut, vor Tollheit und in kindlichem Übermut. Sein Lachen hallte durch den Raum, und er war sich sicher, dass es auch noch in der Bar zu hören war. Er fühlte sich so unglaublich glücklich und befreit, dass ihm der Rest der Welt gleichgültig war. Übermütig riss er die Kabinentür auf, wollte so schnell wie möglich hinter sich bringen, was wahrscheinlich hochpeinlich werden würde. Er erstarrte. Auf dem Boden inmitten des vorderen Toilettenraums lagen seine Kleider, fein säuberlich gestapelt, die Schuhe obenauf gestellt. Der Gürtel penibel zusammengerollt daneben. Wieder schüttelte er sich vor Lachen und wankte gerade auf seine Sachen zu, als die Tür aufging. Eine Frau stand in der Tür. Das Mütterchen war um die 70, hatte mehr Falten als Haare und kleine, sehr liebe Augen, die ihn fragend und irritiert anstarrten. Sie taxierte den BH in seiner Hand, ließ ihre alten Augen über seinen knappen Slip wandern. Auch er schaute auf den schwarzen Büstenhalter, der von seiner Hand baumelte wie eine Trophäe. Er schämte sich, wartete auf ihren Schrei. Aber das Mütterchen blickte nur überrascht auf das Schild an der Toilettentür, schien es für möglich zu halten, sich in die Männertoilette verirrt zu haben, murmelte etwas vor sich hin und ging.
    Peter konnte sich nicht erinnern, sich jemals so schnell angezogen zu haben. Schnell zog er den Reißverschluss seiner Hose hoch, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stürmte aus der Toilette auf den Hof.
    Eine Frauenstimme stoppte ihn. »Was machen Sie denn da in der Damentoilette?«
    Einige der Gäste wandten sich zu ihm um, taxierten den BH in seiner Hand. Peter las in ihren Augen, was sie dachten. Es war ihm grenzenlos peinlich.
    Jahzara hockte direkt neben dem Eingang, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Sie versuchte krampfhaft, ernst zu bleiben. Es gelang ihr nur kurz. Dann prustete sie los, weinte vor Lachen. Tränen kullerten über ihre schwarze Haut, rannen über ihr Dekolletee. »Kann… kann… kann ich meinen Büstenhalter wiederhaben, oder brauchst du ihn noch?«, presste sie hervor und krümmte sich vor Lachen.
    Peter ging leicht verärgert auf sie zu. Der BH baumelte noch immer von seiner Hand. Gäste kamen aus der Bar und schauten sie beide lächelnd an. Er ging vor ihr in die Hocke. Jahzara hob den Kopf und schaute ihn mit den glücklichsten Augen, die er je in seinem Leben gesehen hatte, an. Ihr Haar war zerzaust, und ihre Schminke rann ihr in bläulichen Streifen über die Wangen. Er ließ den BH fallen, grinste und prustete ebenfalls los, bevor er ihren Kopf mit beiden Händen umfasste und zu sich heranzog. Sie wehrte sich nicht, lehnte sich an seine Brust, zitterte am ganzen Körper und schluchzte ihre Angst und Glückseligkeit ungehemmt in die Welt hinaus.
     
    Wenig später saßen sie in einem Internetcafé. Jahzara hatte ihre Handtasche mit den verdächtigen Seemuscheln in der Bar abgegeben und um Verwahrung gebeten. Ihr Handy lag in ihrer Wohnung. Sein Handy hatte er ins Hotel gebracht.
    »Du siehst hässlich aus mit deiner verwischten Schminke«, versuchte er, sie zu necken. Sie reagierte nicht darauf. »Ich habe mich noch nie so schön gefühlt. In mir ist heute alles schön und weich und sanft und glücklich. Aber konzentrier du dich jetzt mal auf deinen Chat. Schau mal, dein Freund wartet auf deine Antwort.«
    Peter blickte auf den PC. Frank hatte ihm geantwortet. Sein alter Freund aus Schulzeiten war einer jener Internetjunkies, deren Leben nur aus Chats und Blogs und Foren zu bestehen schienen. Wo immer Frank auch war, sein Laptop war online. So hatte es nur wenige Minuten gedauert, bis Frank auf seine Mail-Anfrage reagiert hatte. Frank, so hoffte er, würde ihm weiterhelfen können. Er war ein absoluter Technikfreak. Ein Chatfenster öffnete sich. Peter tippte seine Frage ein.
    »Alter, grüß dich! Ich bin in Lissabon. Viel Zeit habe ich nicht, dir zu erklären, was hier läuft.

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