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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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Militärs am Nebentisch um und sprach dann weiter: »Nein, Peter, das ist kein russischer Militärberater. Das ist ein russischer Entwicklungshilfeexperte – formell jedenfalls. So nennt sich das heutzutage. Früher haben sie uns Panzer geschickt; heute schicken sie uns Landwirtschaftsexperten – wahrscheinlich im Rang eines Generals! Du siehst, alle wollen sie uns helfen. Ganz uneigennützig natürlich!«
    Peter musste grinsen. Der Sarkasmus in Seyoums Worten war nicht zu überhören. Aber eine Sache brannte Peter noch auf der Zunge. »Weiß Jahzara von meiner Eritreareise?«
    Seyoum lächelte. Er schien auf diese Frage gewartet zu haben.
    »Nein, keine Angst. Sie weiß nichts. Und sie muss es auch nicht wissen. Aber du solltest berücksichtigen, Peter, dass Jahzara eine extrem stolze, sehr nationalbewusste junge Äthiopierin ist. So jung, wie du es damals in Eritrea warst. Sie sieht das mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Eritreas anders als ich. Es gibt da eine Sache, die du wissen solltest. Aber ich bitte dich, Peter, und zwar in aller Eindringlichkeit, sprich nicht mit Jahzara darüber!«
    Peter sah, wie schwer es Seyoum fiel, die richtigen Worte zu finden. Der Mann mit den grauen Haaren wirkte eigentümlich verunsichert. Er hüstelte mehrmals.
    »Jahzaras Zwillingsbruder war Offizier in der äthiopischen Armee und kämpfte gegen Eritrea. Er fiel in einer dieser absurden Offensiven, in denen sozialistische Brüder gegen sozialistische Brüder kämpften. Ein Teil von Jahzara ist mit ihrem Bruder gestorben. Bei eineiigen Zwillingen ist das manchmal so. Sie sind in ihren Seelen vereint. Für immer und ewig. Sie liebte ihren Bruder über alles. Als er starb, starb auch in ihr etwas. Und sie hat daraufhin auch ihre Zukunft als Frau verloren. Aus Gram und Schmerz wollte sie sich damals das Leben nehmen. Es misslang. Den Versuch hat sie dennoch teuer bezahlt. Sie hatte schwere innere Verletzungen. Sie wird niemals in ihrem Leben Kinder haben können. Darunter leidet sie sehr. Sie meidet Männer. Für sie ist es eine grauenhafte Vorstellung, dass ein Mann, den sie liebt, sie verlassen könnte, weil sie keine Kinder mehr bekommen kann. Sie sieht sich nur als halbe Frau. Als eine weibliche Hülle, deren Inhalt nutzlos ist. Und weil sie mit diesem Trauma nicht fertig wurde, hat sie sich eine eigene Realität geschaffen. Sie macht Eritrea für alles verantwortlich. Hätte Eritrea nicht um Unabhängigkeit gekämpft, ihr Bruder würde noch leben. Deswegen hasst sie die Menschen in Eritrea. So einfach ist das für sie.«
    Peter versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Tiefes Mitgefühl überlagerte sein Denken. Plötzlich erinnerte er sich daran, wie Jahzara in dem Lokal in Lissabon so seltsam darüber gesprochen hatte, dass es auch damals schon, zu Zeiten von Kaiserin Eleni, als Makel galt, wenn keine Nachfahren existierten. Er atmete tief durch. Damit hatte Jahzara sich selbst gemeint! Seyoum schien zu spüren, dass ihm tausend Fragen auf der Zunge lagen. »Ich weiß, dass du Jahzara sehr magst und sie auch begehrst. Jeder normale Mann würde eine solch attraktive Frau begehren.«
    Peter fühlte sich ertappt. Sah Seyoum ihm etwa an, wie sehr er Jahzara begehrte? Seine Gedanken überschlugen sich. »Wenn ich das richtig sehe, dann hat Jahzara noch nie…«
    »Nein, Peter, sie hat noch nie mit einem Mann geschlafen. Noch nie! Sie will es nicht und sie kann es nicht. Sie hat panische Angst davor, dass das Leben sie mit grausamen Tatsachen konfrontiert.«
    Peter schluckte. Er rang nach Worten. »Ein Mann, einer, der sie wirklich liebt, könnte damit klarkommen und ihr helfen, oder nicht?« Erst während des Sprechens wurde er sich bewusst, dass er sich noch nie über solche Dinge Gedanken gemacht hatte. Würde er mit einer solchen Situation wirklich umgehen können? Damit, dass er wahrscheinlich nie mit einer körperlich so begehrenswerten Frau schlafen könnte? Vielleicht würden ja Liebe, Vertrauen, Nähe und Einfühlsamkeit ihr Trauma langsam auflösen? Vielleicht brauchte sie einen Menschen, der mit ihr darüber sprach?
    Peter merkte, wie ihn die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Thema völlig überforderte. Er verdrängte seine Gedanken, suchte nach pragmatischen Ansätzen. »Aber es gibt heute Methoden, Kinder zu bekommen ohne…«
    Seyoum schaute ihm in die Augen.
    Zum ersten Mal, seit er ihn kennen gelernt hatte, spürte Peter, dass Jahzaras Vater ihn mochte. Sie waren Freunde geworden, ohne sich näher zu

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