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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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See.
    »Hier liegt die Stadt Bahir Dar, am Tanasee«, referierte Pietro. »Laut Bericht fuhr der Mörder südwärts in Richtung Addis Abeba, was sinnvoll ist, denn von dort gehen die internationalen Flüge ab. Irgendwo zwischen Bahir Dar und Debre Markos, also irgendwo auf dieser Straße hier im Süden, kam es zu dem vermeintlichen Unfall. Aber, schauen Sie mal…«
    Pietro beugte sich näher zum Bildschirm und zoomte eine Ausschnittsvergrößerung heran. »In der nächsten südlich gelegenen Stadt, also in Debre Markos, gibt es gar keinen Flughafen. Bis Addis Abeba sind es viele hundert Kilometer. Also viel zu risikoreich für einen Flüchtenden, der möglichst schnell aus dem Land will. Nördlich von Bahir Dar dagegen zeigt diese Karte zwei größere Städte mit einem Zeichen für einen Flughafen an – sehen Sie, hier? Das ist Gonder. Und ziemlich weit vom Tanasee entfernt liegt die etwas kleinere Stadt Aksum.«
    Der Commissario starrte auf den Bildschirm. »Sie meinen also – «
    »Ich meine nicht nur, Chef. Ich bin mir absolut sicher! Dieser Typ hat die Äthiopier reingelegt. Wer immer das auch war in dem ausgebrannten Taxi, es war nicht der Killer. Ich wette, der Typ sitzt jetzt irgendwo in Gonder oder in Aksum und lacht sich ins Fäustchen. Entweder wartet er mit einem anderen Pass und womöglich mit verändertem Aussehen auf das nächste Flugzeug. Oder der will gar nicht aus dem Land raus, will nur den Eindruck erwecken, dass er geflohen ist. Der hat einen Auftrag! So skrupellos, wie der Typ Menschen umbringt, zieht der seine Aufträge auch durch. Ich denke, Commissario, wir sollten den Kollegen in Äthiopien den Tipp geben, ihr Augenmerk auf Gonder oder auf Aksum zu richten.«
    »Alles gut und schön, Pietro. Könnte sein, dass Sie Recht haben. Die Frage ist nur, nach was beziehungsweise nach wem die äthiopischen Kollegen da suchen sollen. Keiner weiß, wie der Täter inzwischen aussieht. Nichts wissen wir – «
    Pietro unterbrach ihn. »Doch, wir wissen etwas! Dieser Killer hält sich stets da auf, wo Föllmer und seine äthiopische Begleiterin sind. Der will was von denen!«
    Commissario Toscanelli signalisierte Pietro durch einen nach oben ausgestreckten Daumen, dass er dessen Kombinationsgabe für grandios hielt. »Perfekt! Wirklich genial! Die Äthiopier müssen sich nur an Föllmer und seine Freundin halten, sie unauffällig observieren und beschützen. Früher oder später wird der Killer auftauchen. Das Dumme daran ist, Pietro, leider war es bislang immer so, dass dieser Racheengel uns stets ein paar Schritte voraus war. Der mordet – und wir folgen wie Bluthunde seiner Fährte. Wir sind ihm von Venedig nach Afrika gefolgt, und ich fürchte, die Blutspur ist noch nicht zu Ende.«
     
    Sahib al Saif, Statthalter des Schwertes und Racheengel des Al-Sakina-Ordens, war sich im Klaren darüber, dass er nur eine sehr kleine Chance hatte, aus dieser verfahrenen Situation lebend herauszukommen. Ein Fluch lag über diesem Auftrag! Er schob seinen Schleier etwas beiseite und spuckte verächtlich auf den Boden. Verflucht sei Shaitani! Der Teufel pfuschte ihm ständig ins Handwerk. Gog und Magog schienen sich gegen ihn verschwört zu haben. Seine Chancen standen schlecht. Aber das war es nicht wirklich, was ihn ängstigte. Vielmehr kreisten seine Gedanken um die Tatsache, dass er hier, in diesem Land der Ungläubigen, fern seiner Heimat, seiner Familie und Freunde sterben würde. Eine Furcht erregende Vorstellung. Viele Fragen malträtierten ihn. Würde der Allbarmherzige zu würdigen wissen, dass er für den rechten Glauben gemordet hatte? Würde er zum Schahid, zum Märtyrer, werden, wenn er sich selbst richtete, bevor die äthiopische Polizei ihn erwischen würde? Er hatte längst beschlossen, dass er das tun würde. Er würde sich nicht foltern lassen. Die letzte Kugel würde er für sich selbst aufsparen. Doch genau darin lag das Problem.
    Nach eigener Einschätzung hatte er stets ein rechtschaffenes Leben geführt. Zwei Mal schon war er beim Haddsch in Mekka an der Kaaba gewesen. Ja, er war ein gottesfürchtiger Mann. Wie stand es doch geschrieben? »Wer durch die Hände der ungläubigen Feinde des Islams… oder auf dem Schlachtfeld des Dschihads tot aufgefunden wurde, wird ein Schahid.« Ja, er war bereit, den Tod eines Märtyrers sterben. Damit wäre sein Weg ins Paradies gesichert. Aber ginge das, wenn er sich selbst richtete? Verzieh Allah Selbstmord? Oder würde er in der Hölle schmoren?
    Sahib

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