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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Nervenklinik einen Besuch ab, stiehlt zwei Dutzend Fahrzeuge, beschädigt sämtliche Getriebe, löst sich in Luft auf- und das alles mitten in einem Schneesturm, ohne Aufsehen zu erregen? Und Sie halten mich für verrückt?«
    »Es ist eine ungewöhnliche Nacht gewesen«, stimmte Doktor Kapelson mit einem Nicken zu.
    »Das ist eine verdammte Untertreibung«, schnaubte Maddox. »Allerdings hätte ich gern ein Interview mit demjenigen geführt, der die ganze Sache durchgezogen hat. Das gäbe einen ausgezeichneten Beitrag im Anschluss an einen Artikel über Kornkreise.«
    »Führen Sie all Ihre Interviews selbst?«
    »Die wichtigsten. Und alle, bei denen mehr als ein oder zwei Tatsachen überprüft werden müssen. Der Rest ist nur Füllmaterial.«
    »Wie finden Sie heraus, welche der Storys wichtig sind?«
    Maddox zuckte die Achseln. »Hauptsächlich durch Instinkt. Allerdings entwickeln sich die Geschichten nicht immer meinen Erwartungen entsprechend, und manchmal kommt kompletter Unfug dabei heraus.«
     

     
    »Das drittschlimmste Interview meiner Laufbahn habe ich im vierzehnten Jahrhundert mit einem Spanier namens Gorca geführt. Er sollte angeblich die Erbin einer argentinischen Goldmine entführt und ermordet haben, weil sie sich geweigert hatte, ihn zu heiraten. Ich war gerade mit Recherchen für eine ganz andere Geschichte beschäftigt, als ich seine Bekanntschaft machte. Und nachdem ich erst einmal sein Vertrauen gewonnen hatte, kam die ganze skandalöse Geschichte heraus, einschließlich seiner Flucht vor dem Gesetz, den angeblich falschen Anschuldigungen gegen ihn und der Rache des wütenden Vaters. Zwei Dinge hielten mich allerdings davon ab, seiner Geschichte Glauben zu schenken: Erstens konnte er mir nicht in die Augen sehen, wann immer von der vermissten Frau die Rede war, und zweitens wollte er mir nicht den Ursprung der Steaks verraten, die wir verspeisten, während er seine Geschichte erzählte.«
    »Das ist widerlich«, sagte Doktor Kapelson.
    »Das können Sie laut sagen. So etwas sollte Hitchcock-Filmen vorbehalten bleiben und südamerikanischen Fußballmannschaften, die irgendwo abgestürzt sind.«
    »Sie sagen, das sei das drittschlimmste Interview gewesen. Was steht an zweiter Stelle?«
    »Nun«, fuhr Maddox fort, der langsam in Schwung kam, »das zweitschlimmste Interview meiner Laufbahn habe ich 1974 in Las Vegas geführt. Elvis Presley hatte sich nach einer Show in seinen Umkleideraum zurückgezogen, und mir wurden zwanzig Minuten gewährt, um ihm dort ein paar Fragen zu stellen. Aus den zwanzig Minuten wurden drei Stunden Geschwafel über Gott und die Welt, während deren wir zwei Flaschen Single Malt Whisky und eine ganze Handvoll Drogen ungewisser Herkunft in uns hineinschütteten. Die nächste Stunde sah ich ihm beim Reihern zu. Kurz darauf erlitt er einen Herzstillstand. Die Herzdruckmassage war zu dieser Zeit noch nicht so recht in Mode, ich habe mich aber trotzdem daran versucht. Alleine wäre es mir allerdings nicht gelungen, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Er hätte mit Sicherheit das Zeitliche gesegnet, hätte nicht in meinem Wohnwagen draußen auf dem Parkplatz Jim Morrison ein Nickerchen gehalten.«
    »Was hatte Jim Morrison in Ihrem Wohnwagen zu suchen?«
    »Sie würden es mir nicht glauben, wenn ich es Ihnen erzähle. Und in Anbetracht unserer derzeitigen Beziehung zueinander wäre dies auch nicht in meinem Interesse. Ich meine, ich ziehe es vor, mich an die wirklich glaubwürdigen Dinge zu halten.«
    »Ich verstehe. So wie die fliegenden Kaninchen?«
    »Sarkasmus«, sagte Maddox. »Ich bin sicher, das war Sarkasmus.«
    »Tut mir Leid«, sagte Doktor Kapelson.
    »Schon gut. Das schlimmste Interview meiner Laufbahn, ein Ereignis, das mich bis in meine Albträume verfolgt hat und das mich in der Tat immer noch verfolgt, bestand eigentlich aus zwei kurzen Gesprächen. Der Nazarener sollte gekreuzigt werden. Zuvor wollte man ihn – wie es in allen guten Bürokratien üblich ist – noch ein wenig der Folter unterziehen, der körperlichen wie der seelischen. Ich hatte das gesamte Leben dieses Mannes mitverfolgt, von den ungewöhnlichen Ereignissen, die seine Geburt angekündigt hatten, bis zu dem Tag, an dem er sterben sollte. Ehrlich gesagt war mir schon klar gewesen, dass er früher oder später hingerichtet werden würde – bei all den Wundern, die er ständig vollbrachte! Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass es so bald geschehen würde. Und ich hatte nie Gelegenheit

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